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Fakten zur Aufführung 

DIE ZARENBRAUT
(Nikolai Rimsky-Korsakov)
13. Oktober 2013
(Premiere am 3. Oktober 2013)

Staatsoper Berlin


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Liebe in Zeiten der Mediengesellschaft

Die 15 Opern von Nikolai Rimsky-Korsakov werden trotz oder wegen ihrer musikalischen wie szenischen Opulenz in Deutschland kaum aufgeführt. Gelegentlich gibt es höchstens mal den Einakter Mozart und Salieri oder die Märchenoper Zar Saltan. Berliner allerdings hatten häufiger die Gelegenheit, Werke des russischen Komponisten kennenzulernen. So gab es noch zu DDR-Zeiten prunkvolle Gastspiele aus der Sowjetunion mit Opern wie Schneeflöckchen oder Die Mainacht, und nach 1989 setzte sich die Komische Oper gleich zweimal für Rimsky-Korsakov ein. Doch weder Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch, die 1996 Hausherr Harry Kupfer inszenierte, noch 2006 Der Goldene Hahn in der Regie seines Nachfolgers Andreas Homoki zeigten nachhaltige Wirkung. Das könnte sich nun mit der Premiere der 1899 uraufgeführten Oper Die Zarenbraut ändern, die die Staatsoper in Originalsprache erstmals seit Ende der 1940-er Jahre auf den Spielplan setzt. Denn das schon in den Produktionen von Mussorgskis Boris Godunow und Prokofjews Spieler bestens bewährte Team um Daniel Barenboim und Dmitri Tcherniakov formt auch aus diesem vernachlässigten Bühnenwerk einen packenden Musiktheaterabend.

Schauerlich geht es in dem Drama um fatale Liebesleidenschaften in einer von politischer Gewalt beherrschten Welt zu. Die Kaufmannstochter Marfa, die zur Zarenbraut gewählt wird, liebt eigentlich den jungen Bojar Lykow, wird aber auch von Grjasnoj, einem Adligen und Opritschnik, begehrt. Der wiederum ist der Geliebte von Ljubascha, die er zugunsten Marfas verlassen will. Um ihre Zuneigung zu gewinnen, gießt er ein vermeintliches Liebespulver in ihren Trinkbecher. Das nun hat Ljubascha mit einem langsam wirkenden Gift vertauscht, an dem die Nebenbuhlerin am Ende im Wahnsinn stirbt. Aber auch Ljubascha, Grjasnoj und Lykov kommen zu Tode.

Tcherniakov, der auch für die Ausstattung verantwortlich ist, belässt das Stück, wie erwartet, nicht in seiner ursprünglichen Zeit während des Regimes von Iwan dem Schrecklichen. Er inszeniert die Zarenbraut als kritische Auseinandersetzung mit der heutigen Mediengesellschaft, die sich durch billige Tricks manipulieren und beeinflussen lässt. Bevor der Vorhang aufgeht, wird das Publikum mittels eines Films, der Menschen in bunter Volkstracht vor pittoreskem Hintergrund zeigt, auf ein historisches Ambiente eingestimmt. Doch der Schein trügt, denn das eigentliche Bühnenbild führt in ein modernes Aufnahmestudio. Hier wird der Zar von den heutigen Opritschniks, der grausamen Leibgarde Iwans, virtuell erschaffen, seine Ehefrau dagegen ist aus Fleisch und Blut. Deren Wahl legt der Regisseur als TV-Show an, nachdem sich die jungen Frauen per E-Mail beworben haben. Beides sieht man eingeblendet auf Leinwänden. Geschickt verknüpft Tcherniakov die Außenbilder, die er im Fernsehstudio spielen lässt, mit den privaten Szenen in einem kleinbürgerlich ausgestatteten Zimmer, in dem fast permanent der Bildschirm flimmert. Das Konzept ist klug durchdacht und funktioniert. Ein weiterer Pluspunkt der Inszenierung liegt in der genauen Personenführung. Tcherniakov entwickelt aus den Figuren vielschichtige Charaktere, die von sämtlichen Sängern mit einem Höchstmaß an Intensität gestaltet werden.

Das Solistenensemble ist fulminant. Olga Peretyatko besitzt einen kristallklaren Sopran, gepaart mit einer mädchenhaften Ausstrahlung, die sie für die Rolle der jungen Marfa prädestiniert. Schon ihre erste Arie singt sie mit großer Beseeltheit, die sich in der finalen Wahnsinnsszene, die auch abgebrühte Zuhörer ergreifen dürfte, noch steigert. Ihre Widersacherin Ljubascha ist bei Anita Rachvelishvili ein Rasseweib voller geballter Emotionen und überbordendem Furor. Es ist ein Ereignis, wie nuanciert sie ihren Prachtmezzo einsetzt und für alle Stimmungen zwischen Traurigkeit und Wut den richtigen Tonfall findet. Bemerkenswert ist nicht nur die enorme Durchschlagskraft der Stimme, sondern dass die Sängerin sie auch zurücknehmen kann, wie etwa im unbegleiteten Auftrittslied. Eine Wiederbegegnung gibt es mit der bedeutenden Anna Tomowa-Sintow, die nach unglaublichen 40 Jahren auf der Bühne über eine in der Mittellage erstaunlich ungebrochene Stimmkraft verfügt und mit großer Präsenz die Kaufmannsfrau Saburowa darstellt. Als toller Singschauspieler erweist sich auch Johannes Martin Kränzle. Er zeichnet den Grjasnoj vokal wie mimisch so differenziert und glaubwürdig, dass sichtbar wird, dass hier kein Bösewicht agiert, sondern ein von Leidenschaft Getriebener, der dadurch zum Zerstörer wird. Treffend besetzt sind auch Pavel Ĉernoch als Geliebter Lykow, den er mit einem geschmeidigen schwärmerischen Tenor ausstattet, und Anatoli Kotscherga, der mit potentem Bass Marfas Vater gibt.

Der Staatsopernchor, von Rustan Samedov einstudiert, erledigt seine für eine russische Oper nicht übermäßig umfangreiche Aufgabe mit Bravour. Am Pult trumpft Daniel Barenboim mit seiner Staatskapelle mächtig auf und setzt auf dramatische Klangentfaltung und das genüssliche Ausspielen der üppigen Melodienlinien.

Das Publikum der Nachmittagsvorstellung dankt mit starkem Beifall, der bei den Solistinnen mit viel Bravos durchsetzt ist. Sämtliche Aufführungen sind im Übrigen ausverkauft. Gute Zukunftsaussichten also für Rimsky-Korsakov.

Karin Coper

Fotos: Monika Rittershaus