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Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
22. Dezember 2013
(Premiere am 29. November 2013)

Staatsoper im Schiller-Theater, Berlin


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Gruselkabinett mit Staraufgebot

Im Mai dieses Jahr hatte Verdis Il trovatore in der Regie von Philipp Stölzl bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien Premiere. Die Besetzung war respektabel, das Medienecho verhalten. Ganz anders in Berlin, wo die koproduzierende Staatsoper mit solch einer spektakulären Besetzung aufwartet, dass der Andrang enorm ist und alle sieben Aufführungen im Nu ausverkauft sind. Bis zu 220 Euro kosten die Karten, doch was zählt das, wenn man als betuchter Opernfan dafür life die Rollendebüts von Anna Netrebko als Leonora und Plácido Domingo als Luna in einer weiteren Baritonpartie erleben kann. Dabei haben die beiden mit einer Inszenierung zu tun, die so gar nicht als Starvehikel taugt. Denn Stölzl, der auch zusammen mit Conradt Moritz Reinhard die Bühne gestaltet hat, versucht erst gar nicht die krude Geschichte des Troubadours sinnig und psychologisch nachvollziehbar zu erzählen. Stattdessen betont er die Disparatheit der Szenen und präsentiert ein Mittelding zwischen Gruselkabinett, Stummfilmparodie und Jahrmarktsspektakel, unterstützt von Ursula Kudrnas bunten, spanisch-historisierenden Kostümen. Menschen aus Fleisch und Blut zeigt der Regisseur nicht, sondern herausstaffierte Theaterfiguren mit expressivem Ausdruck, die mal übertrieben, dann wieder holzschnittartig grob oder puppenhaft niedlich agieren. Manches wirkt lächerlich, manches wieder sehr musikalisch, wie etwa die virtuose Bewegungsregie des Chores, der aus Fenstern herausquillt, sich synchron formiert oder zu einer gestikulierenden Masse zusammenballt, manches, wie das Finale, sogar ergreifend. Da nämlich klammern sich die vier Protagonisten angesichts der Ausweglosigkeit aneinander, ein Bild abgrundtiefer Traurigkeit. Eindrucksvoll ist die Bühnenausstattung: ein zur Hälfte aufgeschnittener Raum mit zwei quadratisch unterteilten Wänden, die sich temporär öffnen und durch wechselnde Beleuchtungen und Videoprojektionen für eine atmosphärische Optik sorgen.

Es zeugt von bedingungsloser Professionalität, dass sich die Sänger auf dieses Konzept, das ihnen ja szenische Überzeichnung abverlangt, einlassen. Anna Netrebko hat den Mut zur Persiflage und gibt darstellerisch alles. Stimmlich prunkt ihr dunkel grundierter Sopran mit großen Bögen, herrlichen Spitzentönen, makellosen Trillern und Koloraturen, vorzüglich etwa in der häufig gestrichenen Kabaletta der Kerkerszene. Nur setzt sie noch zu einseitig auf großen Klang und kümmert sich kaum um Pianoschattierungen. Plácido Domingo verleiht dem Luna seine große Persönlichkeit, auch wenn die Vaterfiguren wie Boccanegra oder Foscari mittlerweile doch eher zu ihm passen. Das unverwechselbare bronzene Tenortimbre ist nach wie vor vorhanden, hat nun aber eine markige Baritonfarbe dazu gewonnen. Sicher, es gibt brüchige und kurzatmige Phrasen, auch mal ein Hüsteln oder Räuspern, doch die vokale Kraft ist in dieser Reifephase immer noch imponierend. Gaston Rivero, der den Manrico kurz vor der Premiere für Aleksandrs Antonenko übernommen hat, schlägt sich wacker. Er singt kultiviert, auf Linie und dynamisch schön differenziert, hat aber das Pech, dass ihm ausgerechnet die hohen C’s der Stretta wegbrechen. Eine Wucht ist die Azucena von Marina Prudenskaya, die als Einzige schon in Wien dabei war. Mit ihr erlebt man eine Zigeunerin, die ihre Emotionen mit flammenden, bombensicheren Topnoten herausschleudert und beim Singen Kantabilität und dramatische Expression vereint, ohne jemals zu forcieren. Der von Martin Wright einstudierte Staatsopernchor singt prächtig, erreicht aber nicht durchgehend die darstellerisch abverlangte Flexibilität.

Daniel Barenboim, der zum ersten Mal die Verdi-Oper dirigiert, gelingt mit der brillant spielenden Staatskapelle die Balance zwischen straffen Tempi und zärtlicher Sängerbegleitung und findet auf diese Weise zu packender Intensität.

Am Ende gibt es nicht enden wollenden Applaus, der sich bei Netrebko und Domingo zu Ovationen steigert.

Karin Coper





Fotos: Matthias Baus