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Fakten zur Aufführung 

PLATÈE. EIN BEGEHREN
(Robert Lehmeier/Jacob Vinje)
22. November 2012
(Premiere)

Neuköllner Oper


Points of Honor                      

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Gesang

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Dating im Irgendwo

Auf der Hintergrundleinwand laufen Filmstreifen mit den Schönen der Zeit, Filmikonen aus der Welt der Träume, Ikonen der Verführung wie Joan Crawford, Marilyn Monroe, Grace Kelly, Gina Lollobrigida und die schwebenden Klänge und Tanzfiguren von Fred Astaire und Ginger Rogers…

Mehrere Personen sitzen bei einem Getränk vereinzelt und gelangweilt, eigentlich übrig geblieben, an einer tresenähnlichen Rampe, offensichtlich mit sich beschäftigt. Hinter einem Gazevorhang erkennen die Zuschauer schemenhaft ein kleines Orchester. Kurzkopulationen deuten das Thema an: Begierde und Verführung. In einem langen Filmstreifen schweben Fred Astaire und Ginger Rogers ihren Träumen nach, und mit ihnen die Protagonisten. Besonders Platée, ohnehin zwischen zwei Welten hin- und hergezogen, verliert gerne den diesseitigen Boden unter den Füßen und sinniert, ob ihr die Verführung des Jupiter wohl gelingen könne, und Juno vor Eifersucht zerspränge - ach, ewige Treue und Liebe. Ob Citheron nun wirklich in sie, Platée verliebt sei, ist ihr und Amour nicht so recht klar. Texte und Gesangsstücke erzählen Verworrenes aus der Geschichte von Jupiter und der schön hässlichen „Sumpfnymphe“ Platée, die sich selbst für unwiderstehlich hält, womit sie aber allein steht.

Die Grundideen dieser 1745 in Versailles uraufgeführten „komischen“ Oper, später als Opernballett bezeichnet, stammen von dem französischen Barockmusiker Rameau, dessen Vorlage Arrangeur und Texter Jakob Vinje und Musikalischer Leiter Robert Lehmeier drastisch zusammenkürzen und modern arrangieren. Mit der Anlage der Platée als Transvestitenrolle ist allerdings die Inszenierung eingefärbt. Sie bleibt bis zum Ende ein Transvestiten-Gesangsstück, das dank zahlreicher Gags dieses Milieus und der Anlage der weiteren Rollen einschließlich des Jupiter für willkommene Unterhaltung sorgt. Die Beziehungen und Begierden sind kompliziert, man kann kaum die Übersicht behalten. Wenn Liebe und Lust sich auf einen selbst, einen Partner, eine Partnerin - auch wohl im Wechsel miteinander richten, werden viele Grenzen ohnehin fließend. Die vorzügliche Gestaltung der Platée durch Armin Stein, der die Gesangspartie als Countertenor präsentiert, unterstützt den Regieansatz. Er spielt die changierende Platée mal verträumt jenseitig, mal in ersehnter Pose oder in sich gekehrt. Clemens Gnad, Bariton, gibt einen Jupiter, der auch ohne lilafarbene Uniform mächtig wirkt. Die gesanglichen Qualitäten der weiteren Rollen sind überzeugend, sie alle können sich des Beifalls des Publikums sicher sein.

Mit einfachsten Mitteln hat Markus Meyer die Bühne gestaltet. Ein quer verlaufender Graben dient dazu, Figuren verschwinden zu lassen, den Hollywoodpool anzudeuten oder das Tempo zu beschleunigen, ein Föhn reicht für die aufkommenden Stürme aus, eine lilafarbene Polizeiuniform markiert Jupiter - treffende Charakterisierungen mit einem Schuss Ironie. Die Kostüme, die Christina Kämper entwirft, sind modern, und spielerisch verfremdet. Mit pinkfarbenem Badeanzug und goldenen Plateauschuhen gesellt sich Platée zu den Hollywood-Schönen.

Hans-Peter Kirchberg hat eine kongeniale Musik geschaffen, die er in barockähnlichem Stil, leider oft sehr verhuscht, aus dem Hintergrund serviert und den Sängern einen wirkungsvollen Background sichert.

Am Schluss ist dann doch alles beziehungsmäßig ziemlich kompliziert. Erst als er dann doch ihn herzhaft küsst und sie ihr beseelt in die Arme fällt, sieht es nach einem Happy-end aus, jedenfalls aus Menschensicht. Ob das die Götterwelt genau so empfindet, bleibt ihr Geheimnis. Auch wenn die Bühne nicht gerade vor diesseitiger Erotik knistert, reichen die göttlich empfundenen Versuchungen und Sehnsüchte aus, einen unterhaltsam-komischen Musikabend zu servieren. Nach wie vor - Travestie ist ein zuverlässiger Spaßfaktor.

Eine begeisterte Fan-Gemeinde bedankt sich mit überschäumendem Beifall für eine beziehungsreiche, ironische Aufführung, die das Platéesche Vorbild ständig an die satirischen Grenzen treibt.

Horst Dichanz

Fotos: Matthias Heyde