Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DAS GEISTERSCHIFF
(Pierre-Louis Dietsch)
4. Juni 2013
(Premiere)

Deutsche Oper Berlin


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Ein französischer Holländer

Nur zwei Monate vor der Uraufführung von Wagners Fliegendem Holländers in Dresden kam im November 1842 an der Pariser Oper Le vaisseau fantôme, zu deutsch Das Geisterschiff von Pierre-Louis Dietsch heraus. Der französische Komponist hatte die Oper im Auftrag des Intendanten Léon Pillet, der die Idee zur Vertonung des Stoffs von Wagner selbst gekauft hatte, geschrieben. Die Geschichte spielt auf den Shetlandinseln, die Figuren tragen andere Namen und die Handlung läuft komprimierter und direkter ab. So fehlt beispielsweise der eröffnende Schiffsakt, so dass nach der ausladenden Ouvertüre Minna/Senta gleich mit ihrer Ballade beginnt. Besonders erfolgreich war Le vaisseau fantôme nicht - schon nach elf Vorstellungen kam das Aus. Das Wagnerjahr 2013 nun macht eine Wiederbegegnung möglich. Vor einem Monat bringt Marc Minkowski in Paris und Wien wagemutig beide Werke an einem Abend zu Gehör. Die Deutsche Oper Berlin zieht nach, spielte Ende Mai erst einen konzertanten Holländer in der Urfassung und eine Woche später im Konzerthaus auch Le vaisseau fantôme. Und tatsächlich entpuppt sich der französische „Holländer“ als musikalisches Schmuckstück. Dietschs frankophile Zubereitung der Schauermär bietet alles, was das Herz eines Opernliebhabers erfreut: Satte Melodien, große Chöre, spektakuläre Arien und eine farbige Orchestrierung, inklusive Gewittermusik und effektvoller Apotheose. Sicher, das ist eine andere kompositorische Welt als die vom revolutionären Wagner. Doch auch sie kann heute für sich einnehmen, wenn man sich ihrer musikalisch so engagiert annimmt wie eben die Deutsche Oper.

Es verdient allein schon Beachtung, dass eine international bekannte Sängerin wie Laura Aikin für die anspruchsvolle Partie der Minna verpflichtet wird. Sie erfüllt denn auch alle Erwartungen, bietet stimmliche Virtuosität und sichere Spitzentöne, aber auch Pianokultur und Differenziertheit in Dynamik und Ausdruck. Josef Wagner als Kapitän Troïl ist schon optisch ein dämonischer Verführer. Aber auch vokal imponiert er vom ersten Augenblick an durch seinen markanten Bariton und den kraftvollen Gesang. Gegen diesen Verführer hat Jean-François Borras als Minnas Verlobter Magnus bei ihr keine Chance, obwohl er wunderschön singt. Stilsicher, kultiviert und mit strahlendem Timbre ist er eine echte Tenor-Entdeckung. Nicolas Cavallier bleibt als Vater mit rauem Bass eher unauffällig, Yosep Kang ist ein guter zweiter Tenor.

Der Chor der Deutschen Oper in der Einstudierung von William Spaulding präsentiert sich homogen, klangschön und textdeutlich.

Die Orchesterbegleitung hätte man sich manchmal ein wenig eleganter und präziser im Zusammenspiel vorstellen können. An vollem Einsatz aber lassen es die Instrumentalisten der Deutschen Oper, am Pult von Enrique Mazzola ordentlich angefeuert, nicht missen. Der italienische Dirigent legt sich für die Partitur mächtig ins Zeug und strahlt so viel Freude und Vergnügen aus, dass sich sein Enthusiasmus nicht nur auf das Ensemble, sondern auch auf das für eine Rarität erstaunlich zahlreich erschienene Publikum überträgt. Und das geizt am Ende nicht mit Applaus. Auf der Bühne wird Das Geisterschiff angesichts der Holländer-Übermacht vermutlich keine szenische Auferstehung erleben. Aber als konzertante Ergänzung oder zum Vergleich kann es den Spielplan bereichern.

Karin Coper