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Fakten zur Aufführung 

CAVALLERIA RUSTICANA/
PAGLIACCI

(Ruggiero Leoncavallo)
22. März 2014
(Premiere am 23. April 2005)

Deutsche Oper Berlin


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Lachende Maske – rasende Eifersucht

Sonntäglicher, ruhiger, stimmiger könnte die Osterstimmung kaum sein in diesem Bergdorf in Sizilien – wäre da nicht dieser riesige graue Klotz von Straßenbrücke, der sich quer über das Tal spannt und nichts Gutes ahnen lässt, trotz der feierlich-getragenen Ostergesänge, die die Dorfbewohner in ihrer Prozession zur Ostermesse anstimmen. Wie die Brücke spannt die Musik Mascagnis weite, leicht melancholische Bögen über die Szene, die Klangbögen lässt Cornelius Meister vom Orchester der Deutschen Oper Berlin voll ausspielen.

Der britische Regisseur David Pountney hat diese Inszenierung weitgehend traditionell angelegt und auf jeden Modernisierungsversuch verzichtet. Protagonisten und Chor bewegen sich in Kostümen der ländlichen Bevölkerung Italiens durch die Szene, in der der Alltag in diesem weiten, von der Brücke überspannten Tal durch einige Versatzstücke und den Marktstand von Lucia angedeutet sind. Lediglich Alfios dreirädriges Motorgefährt deutet einen kleinen Wandel an. Hier gibt es keinen Verkehr, der die feiertägliche Ruhe stört, Musik und Arien legen ein leicht melancholischen Klang über das kaum gestörte, gleichförmige Landleben. Die einzigen Unruhestifter sind die menschlichen emotionalen Eruptionen, die aus den unterschiedlichen Charakteren hervorbrechen und die Menschen aus ihrer Bahn werfen. Waltraud Meier als Santuzza gibt eine verliebt-verträumte junge Bäuerin, die auch ihre Eifersucht dramatisch glaubhaft präsentiert. Als Turiddu stellt Maxim Aksenov einen Frauenheld dar, der gerne seine Ziele wechselt. Ihm hätte man gelegentlich mehr Glanz in seiner Partie gewünscht. Ronnita Miller als die behäbige Lucia wirkt mit ihrer warmen Altstimme wie ein ruhiger Pol unter all den sich gegenseitig aufregenden Mitwirkenden der Szene. Katharina Bradic als Lola überzeugt mit tragendem Sopran von ihrer Leidenschaft für Turiddu. Kutscher Alfio, den Ivan Inverardi mit vollem Bariton singt, kämpft mit allen sizilianischen Mittel um seine Frau Lola. Die bekannte ArieMamma, quel vino è generoso deutet an, dass nicht mehr alle den klaren Durchblick haben, und so erlebt der nimmermüde Schürzenjäger, vom Ehemann nach sizilianischer Art mit dem Messer beseitigt, das Osterfest nicht mehr, nachdem ihn die Dorfbewohner zusätzlich über das Brückengeländer werfen – ein sehr merkwürdiger und unpassender Regieeinfall.

Mascagnis Musik ist dem Publikum bekannt und vertraut, und es schwelgt gern in den vom Orchester und den Sängerinnen und Sängern ausgebreiteten Klangteppichen des Wohlklangs.

In der zweiten Hälfte des Abends bildet Leoncavallos Pagliacci einen merkwürdigen Gegensatz zum ersten Teil. Dies liegt weniger an der durchaus ähnlichen Musik als viel mehr an den insgesamt etwas abstrakteren Rollen und einer Hauptfigur, der es nicht gelingt, der zwiespältigen Rolle der Nedda ein wenig Spannung zu verleihen.

Auch hier geht es um eine italienische Schöne, um die sich neben dem Ehemann Canio auch Tonio und Silvio bemühen. Das Spiel in der Vorstellung der fahrenden Komödianten kommt der Wirklichkeit immer näher, das komödiantische Spiel und das wahre Leben geraten immer mehr durcheinander und verschlingen sich schließlich zu einem unentwirrbaren Knäuel – was ist Spiel, was ist Wirklichkeit? Der betrogene Canio singt seine verzweifelte Arie Ridi, pagliaccio . Schließlich kann Canio seine Eifersucht nicht mehr zügeln, das bedeutet das Ende für Canios Frau Nedda und Silvio – La commedia è finita.

Obwohl auch der zweite Teil des Abends mit guten Stimmen aufwarten kann, will so richtig keine Spannung aufkommen. In der Rolle des Canio überzeugt Stephen Gould mit klarem Tenor, Ivan Inverardi als Tonio ist dem Publikum schon aus der Cavalleria mit mächtigem Bariton vertraut, Alvaro Zambrano singt den Beppo mit tragendem Tenor und Etienne Dupuis‘ Silvio überrascht bei seiner eher flippigen Rolle mit angenehm kräftigem Bariton. Auch Inva Mula gelingt die Nedda stimmlich ohne Probleme. Insgesamt bleibt aber ihre Figur ohne Spannung, ihre innere Zerrissenheit und Emotionalität wirken gespielt.

So erleben die Zuschauer einen Abend in zwei Teilen mit sehr unterschiedlichen Eindrücken und Gefühlen. Beide Dramen um Liebe, Ehre und Rache unterscheiden sich in der Wirkung erheblich. Musikalisch in bekannten und weichen Klängen des späten Belcanto schwelgend, bietet Cavalleria rusticana ein sizilianisches Fest der Gefühle. Im ebenfalls musikalisch vertrauten Pagliacci überwiegen kühlere Eindrücke, die den Hauch von Komödie nicht immer aufkommen lassen. Das Publikum erfreut sich an den gefällig-romantischen Musikpassagen, den mächtigen Choreinlagen und stimmlich gut ausgestatteten Solisten und spendet reichlich Beifall für einen musikalisch gefühlvollen Abend.

Horst Dichanz

Fotos: Bernd Uhlig