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Fakten zur Aufführung 

LA CAGE AUX FOLLES
(Harvey Fierstein, Jerry Hermann)
18. März 2014
(Premiere am 1. März 2014)

Bar jeder Vernunft, Berlin


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Aufruf zur Toleranz

Vor rund 30 Jahren erlebte im Berliner Theater des Westens der Broadwayhit La Cage aux folles seine deutschsprachige Erstaufführung. Das schrille Travestiemusical nach dem Theater- und Kinokassenschlager Ein Käfig voller Narren war einer der bedeutendsten Erfolge der Ära Helmut Baumanns, der damals auch eine der beiden Hauptrollen spielte. Er war so groß, dass im Laufe von zehn Jahren drei Wiederaufnahmen angesetzt wurden. Jetzt, anno 2014, ist La Cage aux folles erneut in Berlin zu sehen. Doch diesmal nicht auf einer großen Bühne, sondern im plüschigen Ambiente der Bar jeder Vernunft, die ganz ohne Subventionen nach Im weißen Rössl und Cabaret damit die dritte Großproduktion stemmt. Hier passt das Stück prächtig hin, denn es spielt ja unter anderem in dem titelgebenden Nachtclub an der Côte d’Azur. Diesen nun hat Friedrich Eggert großartig den begrenzten räumlichen Möglichkeiten des Wilmersdorfer Vergnügungstempels angepasst und dabei das ganze Rund miteinbezogen. Da wird ein Restauranttisch aus Platzgründen von der Saaldecke heruntergelassen, da deutet ein kitschiges Tretboot in Form eines Schwans szenisch einen Strandausflug an. Der Club ist ein erotischer Traum mit einem Interieur aus Glitzervorhängen und goldenen Lustknaben als Säulen, der im Verlauf zu einem biederen Appartment umdrapiert wird, in dem die Jünglinge zu mit Pfeilen durchbohrten Märtyrern umfunktioniert werden.

Georges, der Besitzer dieses Etablissements ist mit Albin, der Drag Queen der Show, seit Jahrzehnten glücklich liiert. Deren Harmonie wird gestört, als Georges’ Sohn Jean Michel heiraten möchte. Denn die Braut ist die Tochter eines erzkonservativen Politikers, der als Moralapostel gegen alles Anrüchige ist und die Heirat deshalb unterbinden will. Die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten und Verwicklungen enden im Bekenntnis zum Anderssein und zur gleichgeschlechtlichen Liebe. Was heutzutage eigentlich eine fast selbstverständliche Botschaft sein sollte. Doch angesichts jüngster Ereignisse – man denke nur an die russische Antihomosexuellenbewegung – bekommt das Stück eine Aktualität, die bei der Planung der Produktion bestimmt nicht voraussehbar war.

In Bernd Mottls Inszenierung wird der Aufruf gegen Diskriminierung nur in einer kurzen Sequenz lautstark geäußert. Sonst aber vermeidet der Regisseur jede platte Anspielung und sorgt stattdessen für einen vergnüglichen Handlungsablauf, der sich ausgewogen zwischen Komödiantik und Besinnlichkeit bewegt. Optische Glanzlichter zwischen den Sprechszenen liefern die Showeinlagen der Les Cagelles, die Otto Pichler mit sinnlichem Pep und viel Glamour choreografiert hat. Die vier Travestie-Künstler Andreas Renee Swoboda, Christoph Jonas, Vanni Viscusi und Hakan T. Aslan, denen Falk Bauer schrille Revuekostüme verpasst hat, führen sie gekonnt exaltiert und tänzerisch perfekt vor.

Die Hauptrollen sind diesmal nicht mit Stars wie beim Rössl und bei Cabaret besetzt. Doch was macht das Fehlen großer Namen, wenn ein gestandener Stadttheaterschauspieler wie Hannes Fischer so wunderbar differenziert Albin/Zaza verkörpert – der als große Diva mit der imponierend gesungenen Hymne I am what I am genauso glaubwürdig ist wie als besorgte „Ersatzmutter“ und tiefgekränkter Gefährte. Am schönsten allerdings sind die Liebesszenen mit dem nicht ganz so nuancenreichen Georges von Peter Rühring, weil im Zusammenspiel der beiden die tiefe Verbundenheit eines älteren Paares so authentisch wie berührend rüberkommt. Die Brauteltern sind mit Romanus Fuhrmann und Jaqueline Macaulay treffend verklemmt besetzt, während das Liebespaar Nell Pietrzyk und Sebastian Stert seine Emotionen aufs Leidenschaftlichste ausleben darf. Fausto Israel schwirrt aufgedreht und quietschbunt ausstaffiert als Butler/Zofe Jacob durch das Geschehen, Carry Sass macht als Restaurantbesitzerin beste Figur. Jo Roloff, der die Broadwaypartitur geschickt für eine fünfköpfige Band arrangiert hat, leitet diese mit ebenso viel Schmiss wie Gefühl vom Keyboard aus.

Die Produktion hat das Zeug zu einem Renner. Die Dienstagabendvorstellung ist fast ausverkauft, das Publikum amüsiert sich köstlich.

Karin Coper

Fotos: Adrienne Gerhäuser