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Fakten zur Aufführung 

L'ELISIR D'AMORE
(Gaetano Donizetti)
28. Mai 2012
(Premiere)

Festspielhaus Baden-Baden

Points of Honor                      

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Ein Mexikaner im italienischen Wilden Westen

Auch in Baden Baden demonstriert Rolando Villazón seine sprühende Begeisterung für die Oper, und diesmal gleich in zwei verschiedenen Rollen: Zum einen singt er den Bauern Nemorino, eine seiner Paraderollen, und zum andern inszeniert er diesen Opernabend auch noch selber. Überraschenderweise verlegt er die Handlung in ein Stummfilm-Studio zu den Dreharbeiten eines Western und gerade im ersten Akt feuert Villazón aus allen Rohren seiner Fantasie auf das Publikum. Dulcamara ist Regisseur und Schauspieler zugleich, dreht seinen Stummfilm mit der hübschen Filmdiva Adina und dem zackigen Star Belcore. Doch der Statist Nemorino, den Villazón in mexikanischer Tracht spielt, bringt die Dreharbeiten immer wieder durcheinander. Das Konzept geht insgesamt sehr gut aus, setzt aber voraus, dass der Zuschauer erkennt, dass Nemorino in seiner Naivität Film und Realität durcheinander wirft. Nur sein Mitfiebern kann erklären, dass er Dulcamara tatsächlich zutraut, einen Liebestrank zu brauen und Angst vor einer Liaison zwischen Belcore und Adina hat, die aber hinter der Kamera nichts miteinander zu tun haben. Insgesamt aber ist die Inszenierung ein herrlicher Augenschmaus, der auch den Szenenwechsel vor und hinter der Kamera pointiert darstellt. Dass die Aktionen zum Teil in Slapstick abgleiten, ist dem Filmambiente durchaus angemessen. Auch Licht, Kostüme und Bühne ziehen am gleichen Strang. Davy Cunninghams Lichtregie verändert nicht nur für die Dreharbeiten das Licht, sondern sorgt auch für stimmungsvolle Atmosphäre auf der Bühne von Johannes Leiacker, die jedem Karl-May-Festival Ehre bereiten würde. Da stehen drei großen Blockhütten, inklusive Saloon, auf der Bühne. Auch die Filmmonster King Kong und der weiße Hai sind in den Kulissen zu finden. Die Kamera fährt auf Schienen aus einem Mineneingang vor und zurück, und eine große Anzahl von Choristen und Statisten tobt sich in den verschiedensten Rollen und in den tollen Kostümen von Thibault Vancraenenbroeck auf der Bühne aus. Im ersten Akt passiert fast zu viel. Zwischen den Daltons, einem TaiChi-Mönch, einem Indianer und vielen Aktionen muss man die Hauptrollen immer wieder suchen. Ein Opernglas kann man nur für die Mimik empfehlen, ansonsten empfiehlt es sich, den Blick auf der gesamten Bühne zu lassen. Das szenische Geschehen wird zusätzlich gewürzt mit einigen spektakulären Stunts. Der Regie gelingt es dann im zweiten Akt, sich nach und nach immer mehr zurückzunehmen, ohne die Darsteller alleine zu lassen. Auch Johannes Leiacker reduziert die Bühne auf das Notwendigste. Una furtiva lacrima singt Villazón in seiner kleinen Blockhütte vor einem wolkenbehangenen Prospekt.

Und auch wenn man sich etwas mehr Präzision in den Vokalen gewünscht hätte, fühlt man, wie sehr Villazón diese Arie, diese gesamte Rolle beherrscht. Er spielt den Nemorino nicht nur, er ist es. Dieser Nemorino geht mit seiner Natürlichkeit, mit seinem charmanten Timbre direkt ins Herz. Da verzeiht man ihm im zweiten Akt gerne auch den ein oder anderen kratzigen Ton. Miah Persson ist eine dazu passende Adina. Spielfreudig bietet sie Villazón Paroli; schmeichelnd umgarnt sie alle Männer mit einem auf dem Atmen liegenden Legato, ganz locker parliert sie mit wendigen Koloraturen. Ildebrando D’Arcangelo imponiert mit einem saftigen Bass, der im Parlando nie an Fokus und Klang verliert, und mit einer umwerfenden Komik. Dieser Dulcamara ist ein großes Schlitzohr. Roman Trekel ist im Belcanto nicht ganz so versiert, sein Belcore hat dennoch stattliches Format. Eine Luxusbesetzung erster Güte für die Regieassistentin Gianetta ist Regula Mühlemann, die sich mit ihren wenigen Einwürfen auf der Bühne als ein großes Talent behauptet. Und dann der Chor. Detlef Bratschke hat den Balthasar-Neumann-Chor vorbereitet, Rolando Villazón und Thibault Vancraenenbroeck geben jedem Sänger ein eigenes Gesicht, im Programmheft wird jeder mit Namen und Rolle genannt. Und man hört ein herrliches Ensemble, dass auf der Bühne einzeln und doch zusammen spielt, sich nur an den wirklich schwierigen Stellen zusammen rottet, damit man bei den halsbrecherischen Sechzehnteln aufeinander achten kann. Pablo Heras-Casado gelingt es bis auf wenige Ausnahmen, dieses klangvolle Ensemble zusammen zu halten, und er steuert zugleich sehr zügige Tempi an. Bedauerlicherweise ist auch in diesem Liebestrank einiges gekürzt, zu gern hätte man auch das Balthasar-Neumann-Ensemble länger gehört.

Nach dem letzten Ton setzt der Applaus ein, doch der Saal bleibt dunkel und die Regie setzt sich selber das Sahnehäubchen auf. Der gedrehte Stummfilm wird gezeigt, auf dem als Leinwand dienenden Vorhang sieht man die Mimik der Sänger in Schwarz-Weiß-Großaufnahme. Immerhin sieht das Publikum nach einem kurzen Versuch davon ab, die dazu spielende Auftaktmusik zum zweiten Akt klatschend zu begleiten. Das ist nicht selbstverständlich, muss man sich doch die ersten zehn Minuten gedulden, bis sich der Großteil an die neue Inszenierung gewöhnt hatte und nicht jeden Einfall kommentieren muss. Danach gibt es enthusiastischen Applaus, der natürlich bei einem überglücklichen Villazón noch einmal zunimmt. Kaum senkt sich der Vorhang, ist der Jubel dahinter grenzenlos!

Christoph Broermann

 





Fotos: Andrea Kremper