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Fakten zur Aufführung 

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)
11. Juli 2012
(Premiere)

Festspielhaus Baden-Baden


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Gegensätze ziehen sich an

Fast ein Jahr ist vergangen seit dem beinahe schon legendären Don Giovanni im Festspielhaus Baden-Baden. Pünktlich zur nächsten Opernaufnahme für die Deutsche Grammophon liegt die CD auf dem Ladentisch im Festspielhaus, sogar noch vor dem offiziellen Verkaufsstart. Vorab wird bereits bekannt gegeben, dass die Deutsche Grammophon in Zusammenarbeit mit dem Festspielhaus Baden-Baden die sieben großen Mozart-Opern neu aufnehmen möchte, sie hat sich als Zugpferde den Tenor Rolando Villazón sowie den Dirigenten Yannik Nézet Séguin ausgewählt.

Der kanadische Dirigent hat für die Così fan tutte im Vergleich zum Vorjahr ein anderes Orchester zur Hand, aber auch das Chamber Orchestra of Europe bietet die musikalische Qualität, die man zu dem Anlass der Baden-Baden-Gala dieses Jahres erwartet. Da hört man immer wieder kleine perfekte Momente, etwa das Soave sia il vento, wo die Streicher im feinsten Pianissimo die Illusion des sanften Windes schaffen. Doch Yannik Nézet Séguin kreiert mit diesem attraktiven Klangkörper auch den Sturm der Gefühle. Man hört das Herzklopfen der vier Liebenden angesichts der neuen Erfahrungen, aber auch die entrüsteten Ausbrüche der Damen. Das sind die Momente, wo der Energie ausstrahlende Kanadier, der stets die Sänger im Blick hat, mit peitschenden Schlägen den Blechbläserapparat und die Pauken zu einem rabiaten Forte animiert.

Das sorgfältig ausgewählte Sängersextett verkörpert einen wichtigen Aspekt der Cosi. Jeder Sänger bringt seine Stärken und Schwächen ein, um einen anderen Typus Mensch zu charakterisieren. So entstehen sicht- und hörbare Gegensätze, die bekanntlich anziehend wirken, aber auch harmonische Freundschaften. Besonders deutlich wird das im Vergleich von Rolando Villazón, der sein Rollendebüt als Ferrando gibt, und Adam Plachetka. Der singt den Guglielmo mit dunklem Timbre und bassbaritonaler Männlichkeit, strahlt jeden Augenblick eine passend machohafte Gelassenheit aus. Stimmlich wirkt er zuweilen leicht unflexibel, und auch Villazón muss seine Koloraturen gelegentlich aus dem Körper schütteln. Neben dem ruhigen Kollegen wirkt Villazón fast schon hibbelig. Jeder Satz wird mit einer Geste unterstrichen, jede Phrase mitdirigiert und zugleich wird deutlich, wie viel Herzlichkeit und Gefühl der Mexikaner in diese Partie legt. Diesem Ferrando nimmt man das tief überzeugte Un aura amorosa auf jeden Fall ab. Irritierend sind seine etwas gekünstelt zerdehnten Rezitative. In den zahlreichen Ensembles vermag sein Tenor aber ebenso Akzente zu setzen wie Miah Perssons leuchtender Sopran. Ihr einziges Manko ist eine leichte Schärfe in der Höhe, die sich im mezza voce zusätzlich durch ein tremoloartiges Flackern bemerkbar macht. Ansonsten ist ihre Fiordiligi ein Genuss an feinen Verzierungen. Ihr Come scoglio bewältigt sie sichtlich nervös vor allem durch ihre Professionalität als sichere Gestalterin. Beim Per pietà hält sie die Zeit an: Hier stimmt von der Stimmkontrolle bis zum Ausdruck einfach alles. Ihre Bühnenschwester ist mit der grandiosen Angela Brower nicht nur optisch passend gewählt, sondern zudem hat Persson eine Dorabella auf Augenhöhe neben sich. Wie sehr sich beide mit ihren Rollen auch in der konzertanten Aufführung identifizieren, demonstrieren die beiden Duette, die mit harmonischer Lebensfreude und femininer Eleganz erfüllt sind. Brower singt sogar etwas unbefangener, schüttelt ihr Amore un ladruncello scheinbar mühelos und mit schelmischem Augenzwinkern aus dem Ärmel. Mit dieser Aufführung dürfte Brower, Ensemblemitglied der Bayrischen Staatsoper, endgültig ihre große Karriere gestartet haben.

Mit Mojca Erdmann ist eine herrlich verschmitzte Despina aufgeboten. Ihr mag vielleicht das Element des Frechen, das leicht Aufsässige fehlen, doch Erdmann serviert ihre Lehren sowie die beiden Verkleidungsszenen mit charmantem Selbstbewusstsein und einem sehr stilsicheren Gesang. Alessandro Corbelli schließlich sitzt in seiner Muttersprache förmlich auf der Partie des Philosophen Don Alfonso. Er stellt vor allem das Aufklärerische der Partie in den Mittelpunkt und nicht den bitteren Zynismus. Für diesen Altmeister hätte man sogar eine DVD machen müssen, damit man neben der sehr gut ansprechenden Stimme auch seine feine Mimik noch zukünftig erleben kann. Das schönste Decrescendo des Abends vollbringt das Vokalensemble Raststatt, das seinen Abgang bei Bella vita militar nur vokal ausführt, und das gelingt ihnm perfekt. Besonders müssen aus dem von Holger Speck vorbereiteten Chor die Frauenstimmen hervorgehoben werden, denen selbst im Piano ein absolut ausgeglichener, glasklarer Klang gelingt.

Man merkt, dass dies die erste Aufführung ist, denn noch ist nicht alles auf einem Nenner angekommen. Da dürften bei der zweiten Aufführung, wenn man mehr auf einander eingespielt ist, noch einige Schmuckstücke für die CD gelingen. Nichtsdestotrotz ist auch dieser Mozart-Abend nicht nur Opernabend mit namhaften Solisten, sondern vor allem eine große Ensembleleistung. Der Großteil des Publikums erlebt diese Aufführung mit großem Respekt vor dem Livemitschnitt und amüsiert sich mit Hilfe der Übertitel über die Texte von Lorenzo Da Ponte. Und fast alle feiern am Ende die Leistung der Sänger mit langem Applaus. 

Christoph Broermann

Fotos: Stephanie Schweigert