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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
17. Dezember 2013
(Premiere am 15. Dezember 2013)

Vlaamse Opera Antwerpen


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G'schichten aus dem blank geputzten Wien

Aus dem Orchestergraben lässt es Dmitri Jurowski mächtig dröhnen und schafft damit einen derben und zugleich ungezuckerten Kontrast zur braven, blank geputzten Wiener Welt, die der Oscar-bekränzte Filmstar Christoph Waltz in seinem Operndebüt mit Richard Strauss‘ Rosenkavalier auf die Bühne der Antwerpener Oper stellt. Die Sänger haben es nicht immer leicht, sich gegen die Orchesterfluten durchzusetzen, wobei man freilich auch den Komponisten nicht von der Verantwortung entbinden kann. Dessen Absicht, eine leichte Konversationskomödie im Stil der Mozart-Zeit zu schaffen, ertrinkt schließlich immer wieder in symphonischen Sturmfluten.

Ein Handicap, das sich auf die gesanglichen Qualitäten der Produktion zum Glück kaum niederschlägt. Maria Bengtsson verkörpert in ihrem Rollendebüt eine erfreulich jugendliche und lebensfrohe Marschallin mit entsprechender stimmlicher Frische. Mit einem Sopran, der noch dazu mit mühelosen Höhen in zartestem Piano aufwarten kann. Hofmannsthals an der Grenze der Larmoyanz entlang schrammende Elegien über das Altern und den Zahn der Zeit outen sich aus ihrem jungen Munde als die geschmäcklerischen Klagen auf hohem Niveau, die sie sind. Sorgen haben die Wiener…

Das zweite Rollen-Debüt bewältigt Christiane Karg als Sophie mit ihrer leicht geführten Stimme, die auch in sphärischen Höhen schwerelos anspricht. Die Überreichung der Silbernen Rose gerät zusammen mit der rollenerfahreneren Stella Doufexis als Octavian zu einem vokalen Höhepunkt des Abends. Der samtweiche Mezzo der deutsch-griechischen Sängerin bewegt sich auf dem hohen Niveau ihrer Kolleginnen, so dass das Damentrio die stärksten musikalischen Akzente setzt.

Albert Pesendorfer ist als Ochs in der ersten Reprise aufgrund einer Stimmbandentzündung deutlich indisponiert, so dass von seiner Bassfülle nur wenig zu vernehmen ist. Die kleineren Rollen erweisen sich als gut bis solide besetzt.

Was das mit Spannung erwartete und von beträchtlichem Medien-Rummel begleitete Opern-Debüt von Christoph Waltz angeht, muss die Rezeptionsgeschichte des Rosenkavaliers nicht neu geschrieben werden. Derartige Flirts von Filmgrößen mit der Oper gingen, von Doris Dörrie bis Volker Schlöndorff, in der Vergangenheit oft schief. Nun ist Christoph Waltz von Hause aus ein waschechter Bühnenschauspieler und ein Wiener noch dazu. Das merkt man der Inszenierung vom ersten bis zum letzten Takt an.

Waltz versteht es, Personen zu führen, wobei ihn der spürbare Respekt vor der Vorlage zu einer fast eingeschüchterten Dezenz verleitet. Waltz weicht – und das soll kein Vorwurf sein – kein Jota vom Libretto ab, deckt aber auch nicht die schillernden Fassetten der Charaktere auf, überzeugt insgesamt eher durch Feinheiten im Detail als durch eine ohnehin nur schemenhaft erkennbare Gesamtkonzeption. Die Unsicherheit Sophies und Octavians bei ihrer ersten Begegnung fängt Waltz sehr sensibel ein. Und er hat Recht, den Baron von Lerchenau nicht als eindimensionalen Widerling darzustellen. Aber so harmlos gestrickt wie in Antwerpen ist der Bursche auch wieder nicht. Ebenso wenig wie die anderen Figuren, bei denen die Grenzen zwischen Gut und Böse ausnahmslos verschwimmen. Sowohl die Marschallin, die ihren Mann betrügt als auch Octavian, der die Marschallin sitzen lässt, oder gar der Kriegsgewinnler Faninal, der seine Tochter regelrecht verschachert, handeln und denken nicht über den Horizont ihrer eigenen Interessen hinaus. Bei Waltz jedoch agieren alle Figuren brav und harmlos wie in einem Lustspiel aus einer imaginären guten alten Zeit.

Auch wenn die enttäuschte Marschallin am Ende des langen Stücks resümiert: „Mein Gott, es war nicht mehr als eine Farce“, so bleibt es doch eine böse Farce, an der auch die Marschallin und Octavian munter mitstricken. Waltz begnügt sich mit einem zahnlosen Wechsel- und Verwechselspiel verwöhnter Blaublüter und Neureicher, die offensichtlich nichts Besseres zu tun haben, als sich und ihre Mitmenschen zu täuschen, zu verletzen oder über ihr Alter zu jammern.

Das kühle, mit dezenten Stuck-Ornamenten versehene Dekor von Annette Murschetz unterstreicht eine Regiearbeit, die nichts verbiegt, aber auch nicht viel mehr zeigt als den vordergründigen Handlungsstrang. Insofern bleibt die weiße Fassade der hochherrschaftlichen Einheitsdekoration von jedem dekadenten Anflug verschont.

Fazit des Antwerpener Rosenkavaliers: Eine nette „Farce“ und weiter nichts…

Pedro Obiera







Fotos: Annemie Augustijns