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Fakten zur Aufführung 

GÖTTERDÄMMERUNG
(Richard Wagner)
5. Februar 2014
(Premiere 8. September 1998)

De Nederlandse Opera Amsterdam


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Nähe zum Publikum

Vor 18 Jahren wagte sich De Nederlandse Opera erstmalig an eine gesamte Inszenierung von Wagners Ring des Nibelungen. Der langjährige künstlerische Leiter Pierre Audi hatte sich viel mit seinem Team vorgenommen. Jetzt wird der Zyklus letztmalig gezeigt. Die Anhänger dieser monumentalen Inszenierung sind traurig und feiern begeistert Abschied. Über 165.000 Besucher haben diesen Ring gesehen, bevor er in 80 Sattelschleppern verschwindet und geschreddert wird.

De Nederlandse Opera hat im Wagnerjahr 2013 die Wiederaufnahme der ersten holländischen Inszenierung von Wagners Mammutwerk in die Wege geleitet. Nunmehr wird der gesamte Zyklus zwei Mal aufgeführt. Pierre Audi führt Regie. Er ist seit 1988  der künstlerische Leiter des größten holländischen Opernhauses und ist auch in Deutschland kein Unbekannter aufgrund seiner Operninszenierungen insbesondere von zeitgenössischen Werken wie der Uraufführung Wolfgang Rihms Dionysos

Für diese große Aufgabe hatte er sich den renommierten und international anerkannten Bühnenbildner George  Tsypin an seine Seite geholt. Dieser schuf eine monumentale Bühnenausstattung, einem überdimensionalen Ring nachempfunden. Kreisförmig wird Bühne und Orchestergraben umschlossen. Wie auf einem runden Catwalk wandeln die Sänger  ganz nah am Publikum zwischen Orchester und den ersten Parkettreihen. Das bleibt nicht ohne Wirkung und Dramatik. Am hinteren Bühnenende wächst eine goldene Wand wie ein gewölbtes Segel in luftige Höhe. Aus der erscheinen immer wieder die handelnden Personen und schreiten wirkungsvoll zu den Gibichungen als auch zu den einfachen Menschen im Publikum herab. Diesen sind sie dann ganz nahe, wenn sie auf die Rampe im Zuschauerraum treten. Dieser Effekt wird weidlich ausgenutzt, auch wenn die Akustik aus dieser Stellung heraus Mängel aufweist. Eiko Ishioka und Robby Duivemann schufen einfallslose einfache Kostüme. Siegfried darf wieder einmal in zerrissener Lederhose und Lederjacke mit Fransen auftreten, Brünnhilde tiefrot in wallendem Tuch mit Handschuhen. Gunter und Gutrune wandeln in barocken Gardeuniformen, Hagen ist mit entblößter Brust in einen umfangreichen schwarzen Mantel gehüllt. Wolfgang Göbbel und Cor van den Brink ist da deutlich mehr für die Lichteffekte eingefallen, die dem Geschehen weiter Wirkung verleihen. Der Rhein wird zu einem blauen Lichterband, in dem die Rheintöchter sich räkeln, rote Lichtbänder schaffen Feuer. Amir Hosseinpour steuert seinen Beitrag in der Choreographie der Götterdämmerung bei, die aber rein mit technischen Verschiebungen des Bühnenbodens blass bleibt. Brunhilde schlüpft unter ein großflächiges rotes Tuch, das zu Wellenbewegungen angeblasen wird, bis Hagen sie eingewickelt und, nur zu erahnen, im Rhein ertränkt. Die Ideenvielfalt von Audis Team erscheint nicht immer rund abgestimmt, dem Auge wird viel geboten, aber es wird nicht mit Effekten überfrachtet.  Die Erzählung selbst bleibt statisch und auf die Personen konzentriert, die auf der leeren Bühne agieren. Hagen bekommt von der Regie viel Aufmerksamkeit, die Kurt Rydl mit seiner Expressivität ausschöpft. Auch wenn er sich eingangs indisponiert ansagen lässt, zeigt er stimmlich wenig Schwäche und bleibt durch sein Spiel präsent. Überzeugend macht er Siegfried und Gunter zu seinen Handlangern. Seinem Bass fehlt die dämonische Fülle an dem Abend. Stig Andersen ist für den jungen Helden Siegfried einfach zu alt und wirkt in der Rolle weder im Spiel noch Gesang überzeugend. So strahlt Catherine Foster als Brünnhilde über alles und allem. Kraftvoll bleibt die Stimme rein und klar bis zum Finale, frisch im Ausdruck und der Intonation. Ihre stattliche Erscheinung macht sie überdies zur Heldin. Packend der Besuch Waltrautes bei Ihrer Schwester. Die markante, dunkel gefärbte Stimme Michaela Schusters erzeugt weitere Dramatik im Dialog, wenn die beiden nah beim Publikum sitzen und den ersten Reihen tief in die Augen schauen.  Alejandro Marco-Buhrmester kann dem Gunter wenig Herrschaftliches einhauchen. Da bietet Astrid Weber mehr Gehalt in Ihrer Stimme als Gutrune und dritte Norne.

Strahlend vom Ring förmlich eingefasst, rückt das Orchester zu Recht in den Mittelpunkt des Geschehens. Mit viel Einsatz und spürbarbarer Leidenschaft wird hier musiziert. Hartmut Haenchen feuert immer wieder seine Mannschaft an. Präzise gibt er den Takt und Einsätze vor und hält engen Kontakt zu den Sängern. Seine musikalische Interpretation der Musik Wagners verzichtet auf vollmundige voluminöse Entladungen im Orchester, er erzeugt die Spannung im klar abgegrenzten Spiel der Instrumentengruppen. Die Bläser rufen lautstark zu Appell und Jagd. Sie füllen den Raum und werden, wenn nötig, auch im Zuschauerraum postiert. Gefühlvoll romantisch der Klang der Streicher. Es fließt im Orchester. Kaum ein Hindernis stellt sich in den Weg. Die Sänger  werden nicht zum Wettstreit gefordert, sondern fügen sich harmonisch in die Deutung ein. Standing ovations und herzliche Begeisterung des Publikums für alle Beteiligten. Die Fans nehmen schwer Abschied von dieser intelligenten, traditionellen Aufführung, die das Publikum ins Spiel mit einbezogen und sich in deren Herzen gespielt hat.

Helmut Pitsch

Fotos: Marco Borggreve