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Fakten zur Aufführung 

DIE LUSTIGE WITWE
(Franz Lehár)
20. Oktober 2013
(Premiere)

Bühnen der Stadt Altenburg


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Ökonomisierung der Liebe

Franz Lehárs Klassiker Die Lustige Witwe schwankt in der jüngsten Inszenierungsgeschichte oft zwischen Kitsch, Klamauk oder modernem Regietheater, das jedwede Romantik vermissen lässt. Roland Schwab hat sich in Altenburg dieses Meisterwerk der silbernen Operette vorgenommen, es umgekrempelt, entrümpelt und entstaubt. Herausgekommen ist ein flottes, topaktuelles und scharf pointiertes Geschehen, das die gängigen Operettenklischees persifliert und doch ganz große Momente hat. Für Schwab ist die Lustige Witwe keine Operette der Gemütlichkeit, sondern ein scharf-satirischer Hieb auf aktuell-absurde finanzielle Schieflagen. So beginnt die Inszenierung mit einem Prolog, der die marode Finanzlage eines kleinen Balkanstaates zeigt, von Schulden erdrückt und moralisch verloren. Und nur die ererbten Millionen der Witwe Hanna Glawari können den Staat Pontevedrino retten. Das Spiel um Liebe und Macht, um Geld und Bankrott hat begonnen. Im Mittelpunkt die verkappte Liebe der Glawari und des Grafen Danilo Danilwitsch, die erst am Schluss zueinander finden, nachdem viele Missverständnisse und Intrigen überstanden sind. Schwab zeigt die Witwe in dunklen Bildern, mit slapstickartigen Dialogszenen, die manchmal zu lang geraten und so die Spannung nehmen. Manchmal ist weniger Klamauk mehr. Die Glawari ist elegant, modern und im besten Alter. Danilo ist dagegen noch eher ein Jüngling, eher flegelhaft und unreif, kein Dandy im klassischen Sinne. Danilo ist ein Kind des Balkans. Das unterstreicht Schwab mit einer Balkan-Combo, die immer wieder Balkan-Klänge erzeugt und Lehárs wunderbare Musik auf interessante Art kontrastiert.

Doch dieser Kontrast macht den Reiz aus, es knistert zwischen den beiden, eine erotische Spannung, die sich erst im Finale löst. Großartig ist das Männerseptett im zweiten Aufzug Ja das Studium der Weiber ist schwer… Die Herren legen einen mutigen Striptease á la Chippendales hin, dass so mancher älterer Dame im Publikum fast das Herz stehen bleibt. Mutig gespielt und stark von Silke Sense choreographiert. Beeindruckend auch die getanzte Pavillon-Szene. Hier wird mit großen weißen Federbüschen eine surreale Romantik erzeugt, die von großer Nachhaltigkeit ist. Alfred Peter hat einen einfachen dunklen Bühnenraum mit Spiegeldecke gewählt. Große Kronleuchter, wenige Requisiten wie ein alter Amischlitten, mit dem die Glawari vorgefahren kommt, reichen aus, um das Operettenfeeling zu erzeugen. Seine Kostüme sind klassisch elegant und dunkel. Nur die Glawari sticht farblich heraus. Auch eine Form des Gegensatzes.

Gesine Forberger gibt die Hanna Glawari mit großer Eleganz und Grandezza. Leider fehlt ihrer Stimme etwas der schmeichelnde Liebreiz, der vor allem im Liebesduett Lippen schweigen für vokales Schmachten sorgt. Das Vilja-Lied singt sie innig, den letzten hohen Ton unterschlägt sie aber. Marco Vassalli ist ein untypischer Danilowitsch. Wild, draufgängerisch, ohne Zylinder und Seidenschal. Sein Da geh ich zu Maxim… klingt schon fast verzweifelt. Der einsame Wolf, auf der Suche nach Liebe und Anerkennung. Sein lyrischer Bariton hat eine wunderschön warme Mittellage, an den Höhen muss er aber noch arbeiten, hier fehlt auch noch etwas die Souveränität im Ausdruck. Günter Markwarth gibt den Baron Mirko Zeta mit trotteligem, aber liebenswürdigem Habitus. Annika Gerhards als kokette Valencienne begeistert mit ihrem klaren und ausdrucksstarken Sopran. Kein Wunder, dass die Wiener Staatsoper sie unter Vertrag genommen hat. Bernardo Kim überzeugt als Camille de Rosillon mit schönem Belcanto-Gesang und tenoralem Schmelz. Mark Bowman-Hester als Cascada und Erik Slik als St. Brioche fügen sich herrlich komisch ein, genau wie Claudia Müller, Chrysanthi Spitadi und Cosima Schulenberg als graziöse und kokettierende Ehefrauen. Kai Wefer als cholerischer Kromow ist eine Marke für sich, genauso wie Wolfgang Jahn, der das Faktotum Njegus mit scharfsinnigem und spitzzüngigem Humor verkörpert.

Thomas Wicklein am Pult des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera spielt einen flotten Lehár, frei von Sentimentalität und Schmalz. Die Ohrwürmer dieser Operette sind mitreißend und animieren das Publikum zum Mitklatschen, was nicht immer puren Musikgenuss bedeutet. Das Thüringer Staatsballett zeigt eine engagierte und moderne Choreographie, die von Silke Sense großartig einstudiert ist, und der Opernchor ist von Ueli Häsler formidabel eingestellt.

Das Publikum ist am Schluss begeistert, es gibt großen und langanhaltenden Applaus für alle Beteiligten, auch für das Regieteam. Schade nur, dass wenig junges Publikum den Weg nach Altenburg gefunden hat.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Stephan Walzl