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Fakten zur Aufführung 

DU BIST ICH (TOI C'EST MOI)
(Moises Simons)
5. Mai 2013
(Deutsche Erstaufführung)

Bühnen der Stadt Altenburg


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Amouröse Verwechslungskomödie

Gibt es heute noch das Bedürfnis nach einer neuen Operette? Ein Genre, das gerne als seicht belächelt wird und dessen Ende seit vielen Jahren vorausgesagt wird. Wenige Klassiker wie Fledermaus und Lustige Witwe schaffen es ins Repertoire großer Opernhäuser, einige wenige Theater haben sich aber durchaus auf die kleine Schwester der Oper spezialisiert. Und nun bringt Altenburg die französische Operette Toi C'est Moi des hierzulande völlig unbekannten kubanischen Komponisten Moises Simons als deutsche Erstaufführung mit einer modernen Dialogfassung unter dem Titel Du Bist Ich auf die Bühne. In Zeiten knapper Kassen ein mutiger Versuch. Die Premiere des Werkes zeigt: Ja, es gibt das Bedürfnis nach Operette, nach Unterhaltung, und es wird dankend angenommen. Und wenn es dann noch schmissige Melodien sind und witzige Dialoge, dann ist der Erfolg fast vorprogrammiert, so wie jetzt in Altenburg.

Moises Simons wurde 1898 in Havanna geboren und erhielt ab seinem 5. Lebensjahr musikalischen Unterricht bei seinem Vater, einem nach Kuba emigrierten baskischen Musiker. Mit 17 war Simons bereits Dirigent an einem kleinen Theater, wo spanische und kubanische Zarzuelas auf dem Programm standen. Diese besondere Musik führte zu ersten Kompositionen, die ihn in Kuba schnell berühmt machten. Intensiv beschäftigte er sich mit der Jazzmusik und verband diesen Stil mit der traditionellen Musik Kubas. Das Stück El Mansiero , auch bekannt unter dem Namen The Peanut Vendor, wurde kurz nach seiner Veröffentlichung ein Welthit. Insgesamt schuf Simons 42 Zarzuelas beziehungsweise Operetten, von denen fünf bis heute noch nicht aufgeführt wurden. 1934 siedelte Simons nach Paris über, wo er im selben Jahr die Operette Toi C'est moi komponierte, die am 19. September 1934 am Pariser Théatre des Bouffes-Parisiens mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. An dem Werk waren mehrere Librettisten beteiligt.

Simons starb 1945 in Madrid, heute ist er in Deutschland in Vergessenheit geraten. Der Chefdramaturg der Bühnen der Stadt Gera und des Landestheaters Altenburg, Felix Eckerle, hat das Stück in Frankreich entdeckt, es nach Thüringen geholt und die deutschen Dialoge geschrieben. Unterstützt wurde er dabei von Cornelia Boese, die die Gesangstexte dazu beisteuerte.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Patrice lebt gut auf Kosten seines Freundes Bob. Letzterer, ebenfalls Student und wie sein Kommilitone mehr am Pariser Nachtleben als an der Universität interessiert, lässt sich wiederum von seiner Erbtante Honorine subventionieren. Doch eines Tages erscheint sie überraschend in einem Pariser Tanzlokal und stellt Bob vor ein Ultimatum: Entweder willige er ein, einige Zeit auf ihrer Plantage auf den Antillen zu arbeiten oder er werde enterbt. Bob schlägt Patrice vor, ihn in die Karibik zu begleiten, allerdings unter einer Bedingung: Beide tauschen ihre Rollen. So wird der Pseudo-Neffe in eine schäbige Eingeborenenhütte eingewiesen; Bob dagegen logiert in einem feinen Pavillon. Unter der heißen Sonne erleben die beiden amouröse Abenteuer, werden verkannt und wiedererkannt, bevor sich natürlich am Schluss alles in Wohlgefallen auflöst.

Die Geschichte spielt zu Beginn in Paris zur Entstehungszeit des Werkes, in einem verrauchten, verruchten Nachtlokal, und später auf den Antillen, einer ehemaligen französischen Kolonie. Doch das Thema Kolonialismus und Ausbeutung wird nur seicht angedeutet, die Irrungen und Wirrungen einer Verwechslungskomödie mit vielen amourösen Verästelungen stehen im Vordergrund. Die Musik ist erfrischend neuartig, auch weil sie humorvoll und gekonnt authentische Klänge und Rhythmen Mittelamerikas mit französischem Chanson und europäischer Operettenseligkeit verbindet. Und so mancher Operettenkenner kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, hat sich der Moises Simons doch von anderen großen Operettenkomponisten seiner Zeit „inspirieren“ lassen. Paul Abrahams Blume von Hawaii, 1931 in Leipzig uraufgeführt, und Nico Dostals Operette Clivia, 1933 in Berlin uraufgeführt, waren Simons sicher nicht unbekannt, zu viele musikalische Anlehnungen sind zu finden. Und Altmeister Robert Stolz mit seiner Venus in Seide von 1932 steht für diesen besonderen Musikstil der frühen 1930-er Jahre, nur dass Simons ihn mit lateinamerikanischen Rhythmen und amerikanischen Jazzklängen garniert hat.

Götz Hellriegel hat das Werk als schmissige Revue-Operette in neun farbenfrohen Bildern auf die Bühne gebracht. Es finden sich Tanzmusik, Couplets und große Duette, die nummernförmig aneinandergereiht für 105 Minuten pure Unterhaltung sorgen. Die handelnden Personen sind alles selbstsüchtige, verwöhnte Egoisten, die nur an sich und an ihren Vorteil denken. Hellriegel arbeitet die nur allzu menschlichen Charaktere mit ihren Schwächen spitzfindig und pointiert heraus. Und so entwickelt er eine Boulevardkomödie mit spritziger Musik. Liebe, Lust, Korruption, Lug und Trug. Es sind alles Zutaten, die spürbar aktuell sind, ohne moralisierenden Zeigefinger. Auch das Thema Kolonialismus spielt nur im Hintergrund, das Werk ist wahrlich kein politisches Stück. Seine Choreographie entspricht dem Stil der französischen Operette dieser Zeit und ist kurzweilig und auf den Punkt gebracht. Duncan Hayler hat bunte, für die damalige Zeit passende Kostüme entworfen. Seine getanzten Paradiesvögel sind der Hingucker des Abends. Mit einfachen Mitteln sind farbenfrohe Bilder entstanden, die das Pariser Nachtlokal, einen Dampfer, eine Plantage, einen Mangrovenwald und ein Büro stilisieren und sich leicht verwandeln lassen.

Das ganze Ensemble hat spürbare Freude an dem Werk. Erik Slik als feiner Pinkel Bob und Alexander Voigt als sein Freund Patrice sprühen nur so vor Sanges- und Tanzesfreude. Bettina Denner-Brückner als Bobs Erbtante Honorine begeistert mit unnachahmlicher Komik im Gesang und in den Dialogen. Die aphrodisierende Wirkung des Mangrovenwaldes führt dann zur großen Erheiterung des Publikums zu dem Wortspiel: Paradiesvögel – wir haben gevögelt und das Paradies gesehen. Denner-Brückner bringt das so komisch rüber, dass diese Szene zum Running-Gag des Abends wird. Kai Wefer gibt den Plantagenbesitzer Pedro mit markantem Bass-Bariton und schlitzohrigem Spiel. Katie Bolding als seine eigenwillige Tochter Maricousa kann ihre gesanglichen Stärken vor allem in den Gesangsnummern mit amerikanischem Anklang zum Ausdruck bringen. Johannes Beck spielt den etwas trotteligen Gouverneur Robinet mit großer Komik, während Chrysanthi Spitadi mit großem Verve seine leicht nymphomane Tochter Viviane mimt. Paula Rummel als verruchte Loulou im Pariser Nachtlokal erscheint wie eine Grisette aus Lehárs Maxim. Ein Höhepunkt dieser Aufführung ist der Auftritt der Afro-Amerikanerin Robin Lyn Gooch als die einheimische Bedienstete Bédélia. Ihr herrlich komisch-kokettes Auftreten sowie ihre kräftige Blues-Stimme wecken sofort die Assoziation zu Gershwins Bess.

Der Chor, gut einstudiert von Ueli Häsler, sowie die Tänzerinnen und Tänzer des Thüringer Staatsballetts komplettieren ein rundum glänzendes Ensemble. Jens Troester leitet das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera mit viel Drive und sorgt durch die schmissigen Rhythmen dafür, dass es in keinem Moment zu Brüchen oder zu Langeweile kommt.

Das Publikum ist am Schluss begeistert, es gibt großen Jubel für alle Beteiligten. Es ist eine kurzweilige, witzige Aufführung mit Melodien, die durchaus das Zeug zum Ohrwurm haben. Damit ist die Eingangsfrage auch definitiv beantwortet. Das Bedürfnis nach derartiger Musik ist da, und dieses Genre hat neben der großen Oper und dem typisch deutschen Regietheater seinen Platz verdient. Das Publikum dafür ist da. Und es ist sicher kein Zufall, dass der eine oder andere Intendant oder Dirigent benachbarter Häuser sich dieses Werk direkt angeschaut hat. Es bleibt abzuwarten, ob das Werk aus der Reihe Wiederentdeckungen des 20. Jahrhunderts seinen Weg auf andere deutschsprachige Bühnen finden wird.

Andreas H. Hölscher







Fotos: Stephan Walzl