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Fakten zur Aufführung 

PRINZESSIN IM EIS
(Anno Schreier)
22. Dezember 2013
(Premiere am 9. Dezember 2013)

Theater Aachen


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Eisige Romanze im Klimawandel

Die Altersangabe „ab 12 Jahren“ sollte man ernst nehmen. Auch wenn die Prinzessin im Eis eher ein Weihnachtsmärchen à la Hans Christian Andersen erwarten lässt, dürften jüngere Kinder mit der zweistündigen „multinationalen Polarkomödie in Musik“ überfordert sein. Der Aachener Komponist Anno Schreier gibt sich in seiner dritten abendfüllenden Oper zwar konzilianter als bisher, kleidet die märchenhaften Elemente des Librettos von Constantin von Carstensen jedoch in anspruchsvolle Klanglandschaften und in eine zeitkritische Handlung, die, wenn auch in netter Form, letztlich etwas trocken mit dem Klimawandel abrechnet.

Die Handlung ist rasch erzählt: Ein international zusammengewürfeltes Forscherteam begibt sich ins kalte Grönland, um Gen-Proben vom Aussterben bedrohter Tierarten im Packeis zu konservieren. Angesichts der Schneeschmelze kein leichtes Unterfangen, wobei man auch noch auf Erdgasvorkommen stößt, die Rangeleien nicht nur zwischen den russischen und amerikanischen Teilnehmern provozieren. Nebenbei trifft man auch noch auf den eingefrorenen Körper einer Prinzessin, die sich, kaum aufgetaut, an ihre blaublütige Herkunft erinnert und die Forscher zickig zu ihren Höflingen erklärt. Auf der Suche nach ihrem geliebten Prinzen bieten ihr die Forscher eine recht komische Bräutigamsschau. Letztlich glaubt sie, in dem Anführer ihren Prinzen zu erkennen. Die beiden treiben auf einer Eisscholle davon, der Rest der Gruppe streitet sich um das Erdgas. Kommentar der 17 Eisbären: „Die Menschen haben’s mal wieder gründlich versaut.“

Mit seinen 34 Jahren hat es der Aachener Komponist als Trojahn-Schüler und Stipendiat der Villa Massimo mit Die Stadt der Blinden in Zürich und Mörder Kaspar Brand in Düsseldorf zu beachtlichen Erfolgen gebracht. In seinem neuen Stück geht Schreier chamäleonartig flexibel mit der Musik um. Mit einer moderat modernen Tonsprache fängt er, stilistisch vielfältig wie ein gewiefter Filmkomponist, geschickt Stimmungen aller Art ein. Bewusst eklektisch geizt er nicht mit Zitaten und Stilkopien vom amerikanischen Swing über süßliche Strauss-Kantilenen bis hin zu russischen Trepak-Einlagen.

Schreier konnte sich rechtzeitig auf das Aachener Ensemble einstimmen. Somit bedachte er die koloratur-gewandte Sopranistin Katharina Hagopian für die Titelrolle mit einer entsprechend virtuosen, deutlich an Richard Strauss orientierten Partie, die quasi die Artistik der Zerbinetta und die Lyrik der Ariadne in Personalunion einfordert. Das Aachener Ensemble unter Leitung von Christoph Breidler empfiehlt sich durch eine ausgewogene Geschlossenheit, die auch die darstellerischen Qualitäten betrifft, so dass die junge, hoffnungsvolle Regisseurin Anna Malunat das zweistündige Werk mit Pfiff inszenieren kann. Malunat, als talentierte Nachwuchs-Regisseurin bereits mehrfach ausgezeichnet, betont die spielerischen Elemente des Werks, belässt die zeitkritischen Anklagen allerdings in einem eher putzig-harmlosen Ambiente. Selbst die Vorwürfe der Eisbären wirken da eher wie Streicheleinheiten als Tatzenhiebe. Mehr Sorgfalt investiert sie in die Charakterisierung der Figuren, die der international bunt gemischten Forschergruppe schillernde Farbigkeit verleiht. Bewusst spielt sie mit Klischees Wodka-verliebter Russen, frierender Brasilianer und cooler Yankees. Wie auch mit den extravaganten Capricen einer verhöhnten Prinzessin.

Die eisigen Dekorationen von Geelke Gaycken mit viel Nebel beschränken sich im Wesentlichen auf die raffiniert ausgeleuchtete Leere der Polarlandschaft. Lediglich in der leicht erotisch knisternden Bräutigamsschau leuchtet es rubinrot auf.

Das Aachener Publikum reagiert freundlich auf Schreiers samtweiche Zeitkritik. Darin zeigt sich allerdings auch eine gewisse Unentschlossenheit, die einer weiteren Verbreitung des Stücks im Wege stehen könnte. Für ein Kindermärchen ist es zu anspruchsvoll, für eine große Oper zu harmlos.

Pedro Obiera

Fotos: Carl Brunn