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Fakten zur Aufführung 

ALCINA
(Georg Friedrich Händel)
17. April 2014
(Premiere am 6. April 2014)

Theater Aachen


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Die Illusion von Liebe und Macht

Aachen gibt sich derzeit historischen und nostalgischen Erinnerungen und Gedenkfeiern zum 1200. Todestag Karls des Großen in Hülle und Fülle hin. Das Aachener Theater beteiligt sich daran mit drei Opern Georg Friedrich Händels, die um Figuren ranken, die mehr oder weniger eng mit der Geschichte des Monarchen verbunden sind. Nach Ariodante im letzten Jahr steht jetzt Händels Alcina auf dem Programm, bevor das Triptychon in der nächsten Saison mit Orlando abgeschlossen wird.

Inmitten des derzeitigen Händel-Booms zwischen Wuppertal und Essen macht das Aachener Theater mit der neuen Alcina eine denkbar gute Figur. Das Leitungsteam um Kapellmeister Péter Halász und Regisseur Jarg Pataki konnte bereits im letzten Jahr mit einer ordentlichen Leistung punkten. Die Alcina kann diesen Eindruck noch vertiefen. Halász hat zu einer präzisen, rhythmisch prägnanten und klanglich farbigen Gestaltung des Orchesterparts gefunden und hält das fast dreistündige Arien-Konzert unter Dauerspannung. Erfolgreich wurde mit dem Ensemble gearbeitet, das die schwierigen Partien durchweg glänzend meistert. Eine Entdeckung bietet der Countertenor Jakub Jósef Orlinski als umworbener und verblendeter Ruggiero. Eine feingliedrige, agile Persönlichkeit von androgyner Schönheit mit einer hellen, weichen Stimme, der es weder an Intensität noch an perlender Geläufigkeit mangelt.

Das trifft auch auf Jelena Rakić als Alcinas Schwester Morgana zu. Ihr soubrettenhaft leichter Sopran passt zwar nicht ideal zur Rolle, kommt aber der koketten Darstellung der Partie durchaus entgegen. Katharina Hagopian führt die verzweifelten Klagen der Alcina zu beeindruckenden Höhepunkten, auch wenn die Stimme in den Höhen nach wie vor verhärtet. Glänzend die Mezzosopranistin Eun-Kyong Lim als Bradamante. Eine leuchtende, technisch perfekt geführte Stimme, die das hochwertige Ensemble abrundet.

So intensiv und tiefgründig gesungen wird, so vital und frisch inszeniert Pataki die Geschichte um die Zauberin Alcina, deren Bann selbst die standhaftesten Männer erliegen. Auch Ruggiero, den seine Gattin Bradamante verzweifelt sucht und nach etlichen Verwicklungen vom Zauber erlösen kann. Alcina muss die Grenzen ihrer Künste spüren und einsehen, dass wahre Liebe jedem Zauberspuk überlegen ist. Sie und ihre assistierende Schwester Morgana stellt der Regisseur am Ende in die Schauvitrinen eines Museums. Zeugen einer vergangenen Kultur.

Außer ein paar vor sich hin bröckelnden Fassaden erinnert nicht viel an die barocke Entstehungszeit des Werks. Auch nicht die überaus „menschliche“ Personenführung, die sich wohltuend von der steifen Wuppertaler Inszenierung von Johannes Weigand abhebt. Alcinas Reich, eine Art Venusberg, der Männer magnetisch anzieht und festhält, ist im Fotostudio einer Model-Agentur angesiedelt, in der von Karrieren und Glück geträumt wird. Unterstützt durch Versprechen, sexuelle Reize und viel Kokain. Eine behutsame Modernisierung, die dem Werk keine Gewalt antut, aber die Attraktivität Alcinas auch jungen Besuchern verständlich machen kann. Dabei vernachlässigt Pataki nicht die Personenführung, die er subtil den vielschichten Stimmungslagen der Figuren anpasst, so dass eine sehr seriöse Inszenierung ohne aufgesetzte Mätzchen zu erleben ist. Ganz wichtig: Pataki enthält sich jeder überheblich karikierenden Wertung des Stücks und nimmt es als menschliches Drama ernst.

Angesichts der verwickelten Irrungen und Wirrungen sieht die Bühne von Anna Börnsen im Laufe des Abends wie ein Schlachtfeld der Leidenschaften aus. Geschickt ordnet sich das chaotische Bild, wenn Alcina zu ihrem ergreifenden Schluss-Monolog anhebt und in der Vitrine des Museums verschwindet. Fantasievoll, rollendeckend und unaufdringlich unterstreichen die Kostüme von Sandra Münchow die sehens- und hörenswerte Produktion.

Pedro Obiera

Fotos: Will van Iersel