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Fakten zur Aufführung 

I CAPULETI E I MONTECCHI
(Vincenzo Bellini)
27. Juni 2015
(Premiere am 21. Juni 2015)

Opernhaus Zürich


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Triumph des Belcanto

Weich und transparent setzt Fabio Luisi, Generalmusikdirektor der Oper Zürich, mit seinem Dirigat an. Die Melancholie und Tragik der Geschichte schwirrt in der Luft.  Kammermusikalisch bleibt es auch in der heldenhaften Dramatik, die nicht über das Unheil gewinnen kann, aber immer wieder versucht, Zuversicht zu verbreiten. Eigentlich drückt die Musik in diesem Dirigat alles bildhaft aus, so dass die szenische Darstellung der Ouvertüre  auf der Drehbühne nicht notwendig erscheint. Der Regisseur Christof Loy stellt einzelne Szenen der Vorgeschichte stummfilmhaft in statischen Einzelbildern nach, die durch die Drehung aneinandergereiht werden. Das Bühnenbild, von Christian Schmidt gestaltet, zeigt die einzelnen Räume im Haus der Capulets, der Familie Giuliettas, ein eleganter Palast, im puristischen, italienischen Art Deco gestaltet. Weniger ist mehr. Ähnlich auch in der Komposition von Vincenzo Bellini. Wir erleben nur ein paar Stunden im Leben der Helden, die einzelnen Bilder aber werden musikalisch intensiv ausgestaltet. Eine wahre Demonstration der Gefühle und Charaktere in ausgeschmückten Rezitativen und Arien. Eine neue Expressivität  war geboren, die beim Publikum sofort gut ankam. Diese Expressivität wird auch von Loy szenisch umgesetzt. Er ist ein Psychoanalytiker unter den Regisseuren, der sowohl die Handlung als auch die Charaktere detailliert zerlegt und wieder zusammenbaut.

Zu Beginn erleben wir Alexei Botnarciuc als Capellino, dem Familienoberhaupt. Er grämt sich über den Mord an seinem Sohn, aber eigentlich geht es ihm nur um die Macht und Vormachtstellung in Verona. Wie in einer Szene aus einem  Mafiafilm sitzt er im eleganten Zwirn an seinem Schreibtisch, umgeben von seinem Clan im dunklen Anzug oder Smoking. Der smarte Tebaldo heizt die Stimmung weiter an, schwört Rache und bittet um die Hand Giuliettas. Benjamin Bernheimer präsentiert sich als stimmlich vielseitiger Tenor, der seine klare, helle Stimme sicher einsetzt. Und dann kommt sie, Joyce di Donato, der gefeierte amerikanische Mezzosopran. Lange angekündigt und erstmals in Zürich. Einfach beeindruckend ihre Bühnenpräsenz wie auch die stimmliche und szenische Gestaltung der Rolle. Weich und lyrisch bietet sie – noch unerkannt – Frieden und Einigkeit zwischen den verfeindeten Familien an, um danach dramatisch den Fehdehandschuh aufzunehmen und den Kampf auszurufen. Ihre dunkelgefärbte Stimme ist flexibel, lässt sich über alle Register geschmeidig führen und auch im Volumen frei gestalten. Nicht minder in der Leistung erscheint Olga Kulchynska als die zu Tode betrübte Giulietta. Sie ist hilflos zerrissen in ihrer Liebe zu Romeo und der Pflicht und Verantwortung gegenüber ihrem Vater, dessen Liebe sie vergeblich erfleht. Sie verzehrt sich in ihrem Kampf, der auch thematisch in der Inszenierung zum Leitmotiv wird. Die junge Sängerin zeigt eine sehr reife Leistung und bleibt dabei das jugendliche Mädchen, das Opfer der familienpolitischen Fehde wird.

Der schicksalhafte Tod und die Todessehnsucht nehmen viel Platz in diesem Werk ein. So ist es nachvollziehbar, dass Loy auch den Tod in Persona Schicksal spielen lässt. Er begleitet Romeo, reicht Giulietta den Gifttrank und inszeniert den gemeinsamen Liebestod. Doch selbst hier springt Giulietta auf, kann sich immer noch nicht entscheiden und irrt in der Schlussszene verloren durch das Haus.  Es wird packend gespielt und berührend gesungen.

Ein wahres Belcanto-Fest, das das Publikum von den Sesseln reißt. Viel und langanhaltender Applaus: Eine Einladung an Joyce di Donato, auch öfters nach Europa zu kommen.

Helmut Pitsch

 

Fotos: Monika Rittershaus