Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
8. November 2014
(Premiere)

Wuppertaler Bühnen, Opernhaus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Oberflächlich unterhaltsam

Immerhin bleiben sich die Wuppertaler Bühnen bei ihrem neuen Don Giovanni in einer Hinsicht treu: Es wird gespart. Diesmal allerdings an der Musik. Die Kürzungen in Rezitativen und teilweise sogar in der Musik – das Vorspiel zu Donna Elviras Arie im ersten Akt fällt zum Beispiel einfach weg – sind grotesk. Offensichtlich setzen Dirigent Andreas Kowalewitz und Regisseur Thomas Schulte-Michels auf gestraffte Kurzweile. Sie gehen das Risiko ein, indem sie Bühne und Orchester die Plätze tauschen lassen, und leider erweist sich das nicht immer als vorteilhaft. Zum Beispiel werden die Schwächen von Renate Schmitzers Tüllkostümen recht schnell offenbar. Schön bunt sind sie, aber irgendwie wirkt dieser knisternde Polyester, der bei andauernder Belastung einen Faden nach dem anderen verliert, auch billig. Das sieht man auf die kurze Distanz sehr gut, ebenso wie die verwischende Schminke im Gesicht der überzeichneten Darsteller. Rote Bäckchen sind an diesem Abend der letzte Schrei, und wenn einer der Herren keinen eigenen Bart vorzuweisen hat, wird ihm der noch gemalt. Wieder etwas, was bei der Nähe zum Publikum nicht immer vorteilhaft aussieht. Völlig unvorteilhaft fällt aber das Kostüm des Steinernen Gastes aus, der mit angestaubter Wuschelperücke eher wie eine schlechte Drag-Queen-Version von Tina Turner aussieht.

Ein bisschen erinnern Idee und Ausstattung an den großen Regisseur Achim Freyer, der schon vor Jahren Mozarts Dramma Giocoso in die Commedia dell’Arte verlegte. Schulte-Michels verzichtet nun fast komplett auf jeglichen dramatischen Tiefgang des Werkes und lässt heiteres Theater spielen. Neben den Strichen in der Partitur tut er den Sängern nicht immer einen Gefallen, wenn er sie ihre ersten Phrasen hinter der Bühne singen lässt. So geht der dramatisch so wichtige erste Auftritt von Donna Anna und Don Giovanni völlig unter. Die große Freveltat des Verführers, die Ermordung des Komturs, ist eine der großen Peinlichkeiten des Abends. Offensichtlich bewirft Don Giovanni seinen alten Gegner mit einem Tuch, worauf dieser einen Herzinfarkt erleidet – oder so ähnlich. Schulte-Michels sparsame Bühne – ein paar Segmente, die sich hoch und runter fahren lassen – lässt der Regisseur weitgehend recht temperamentvoll und ohne nennenswerte Requisiten bespielen. Mit den emotionalen Arien kann er dabei weniger anfangen, so dass sie schnell zum Rampensingen verkommen. Ansonsten mangelt es nicht an Tempo auf der Bühne, und die als überkandidelte Drama-Königin herumstolzierende Donna Anna ist wirklich lustig. Ihr Don Ottavio ist sichtlich genervt, ihr die Taschentücher nachzutragen und Donna Elvira ist wie so oft die verlassene Furie. Zerlina, Masetto und der Chor geben den niederen Stand in Bauerntrachten.

Etwas oberflächlich bleibt auch die musikalische Deutung des Abends, wenngleich diese deutlich attraktiver ausfällt. Denn das Sinfonieorchester Wuppertal klingt immerhin nach Mozart und weiß diesen auch wunderschön zu spielen. Leider weiß Gastdirigent Andreas Kowalewitz nicht mehr aus diesem Potenzial zu machen. Hurtig lässt er aufspielen, dann plätschert die Musik vor sich hin. Gerne hört man den Musikern zu, aber ergriffen wird man dadurch nicht. Durch die ungewohnte Umstellung mischen sich Stimmen und Instrumente nicht immer ideal. Aber auch innerhalb der Sänger entwickelt sich bei der Premiere viel zu selten das, was bei Mozart so wichtig ist: Ein Ensemblegeist. Aber genau der ist in Wuppertal ja abgeschafft.

Dabei sind doch vielversprechende Stimmen aufgeboten. Allen voran Josef Wagner, der als einziger an diesem Abend alle Ansprüche an seine Rolle erfüllt. Selbst der lächerliche gelbe Zylinder fügt seiner virilen, selbstbewussten Ausstrahlung keinen Schaden zu, und sein agiler Bass-Bariton strotzt nur so von Lebensfreude und einem leisen Hauch von Dämonie. Perfekt! Auch Hye-Soo Sonn ist mit leicht tiefergelegtem Bass ein guter, aufsässiger Leporello. Aufhorchen lässt Damien Pass als Masetto. Diese markante Stimme sollte man sich merken. Aber auch die anderen Sänger klingen wirklich gut. Berühren können sie den Hörer indes nicht. Tatiana Larina kommt als Donna Anna ohne sämtliche Schärfen durch den Abend. Marianne Fiset entlockt der Donna Elvira dramatische Ausbrüche und leise Verzweiflung. Ralitsa Ralinova ist mit schön silbrig-lyrischem Sopran eine attraktive Zerlina. Ramaz Chikviladze singt den Komtur sorgfältig, aber letztendlich auch harmlos. Emilio Pons erinnert im Timbre an Francisco Araiza und gibt der Rolle im Forte viel Energie, aber nicht durchweg in den innigen Passagen. Schade, dass sich diese vokalen Diamanten viel zu selten zu einer musikalischen Kette vereinen.

Vom Publikum wird dieses Sängerfest laut goutiert. Während es die Musiker feiert und die Regie freundlich beklatscht wird, springt der Regisseur übertrieben gut gelaunt und etwas hyperaktiv unter den Musikern umher. Die Zuschauer, das bekommt man über den Abend deutlich mit, fühlen sich gut unterhalten. Wie oberflächlich das ist, wird sich am nächsten Morgen zeigen. Dann hat man die Komödie womöglich schon wieder vergessen. Nachhaltigkeit scheint in Wuppertal derzeit keine große Rolle zu spielen.

Christoph Broermann

Fotos: Uwe Stratmann