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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Giuseppe Verdi)
17. Oktober 2015
(Premiere)

Mainfranken-Theater Würzburg

Points of Honor                      

Musik

Gesang

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In einer Militärdiktatur ist Liebe zum Scheitern verurteilt

Irgendwie ist der Beginn von Verdis Otello ein wenig symptomatisch für das nach längerer Opern-Enthaltsamkeit und schöpferischer Reifezeit von fünf Jahren 1887 nach ständigem Drängen durch den begnadeten Librettisten Arrigo Boito entstandene Alterswerk des Komponisten: Alles hebt an mit einem Sturm wie eine entfesselte Entladung musikalischer Gedanken und lässt in der Folge an Spannung kaum nach.

Das kann die Inszenierung des Erfurter Intendanten Guy Montavon am Mainfranken-Theater Würzburg nur bedingt nachvollziehen; in der Musik jedoch bleibt die packende Dynamik erhalten. Bei Montavon ist die Bühne immer düster, grau in grau bis schwarz, trostlos, leer und kalt. Alles spielt in einem Militärstaat, Uniformen herrschen vor, und die Ausstattung von Francesco Calcagnini unterstreicht das. In Weiß erscheinen nur Desdemona und der Abgesandte Venedigs; aber auch sie muss immer, abgesehen vom Schluss, zugeknöpft angekleidet in einem Hosenanzug auftreten; das Volk ist eine schmutzige, arme Masse. Der erste Akt findet beim Sturm in einer Art Unterseeboot statt, das beim Wüten des Unwetters ins Schwanken gerät, aber den Streit zwischen Cassio und Roderigo in einer Art Boxring zeigt. Der zweite Akt spielt in einem seltsamen Ambiente, zugestellt mit großen Würfeln, zu denen ab und zu eine geschwungene, zierliche Leiter hinaufführt, wohl die Andeutung einer Siedlung, mit einer schiefen Spiegelfläche darüber. Der dritte Akt führt zunächst in eine Art Weinkeller, in dem der intrigante Jago und sein Opfer Otello Schach spielen, bis dann die Landung des venezianischen Schiffes verkündet wird und der von Jago zur Eifersucht verführte Otello vor aller Augen Desdemona der Untreue beschuldigt und sie gnadenlos demütigt. Im vierten Akt sieht man auf eine Art Tumba mit einem Sarkophag in der Mitte, darüber ein großer Grabstein mit einer Inschrift, den schon verwischten, kaum leserlichen Goldbuchstaben, die das tragische Ende der Desdemona zum Inhalt haben. Das soll ihr Schlafzimmer sein. Sie stirbt am Fuße dieses Grabes, ebenso wie ihr Otello. Am Ende stehen oben die Militärs, zufrieden, denn die Herrscherkaste hat gesiegt, der Außenseiter liegt samt seiner Frau unten vernichtet am Boden. All das trägt in sich Konsequenz, doch müsste eine stimmige Personenführung dieses Konzept wesentlich mehr tragen. Stattdessen ist hier meist statisches Agieren angesagt, wirklich menschliche Beziehungen, etwa eine innige Liebe zwischen Desdemona und Otello, sind durch die distanzierte Positionierung aus dem Text und der Musik nur zu ahnen. Es wird vorgeführt statt aufgeführt. Alle bewegen sich steif wie Schachfiguren, auch Jago in seiner großen Absage an einen Gott muss das allein, auf einem Würfel liegend oder kniend, bewältigen.

Dass die Oper dennoch packen kann, ist der Musik zu verdanken. Enrico Calesso führt das bestens aufgelegte, aufmerksame Philharmonische Orchester Würzburg mit inspirierender Hand, betont lyrische Momente, gewährt oft die nötige Zeit, lässt es bei den Forte-Ballungen aber auch ohne klangliche Verluste richtig krachen und dirigiert sehr sängerdienlich. Auch Chor und Extrachor unter Michael Clark begeistern durch harmonische Abstimmung und feine, flexible Abstufungen, obwohl sie sich kaum von der Stelle rühren dürfen.

Unter den Sängern gefällt am meisten der sehr glaubhafte Darsteller des Otello, Ray M. Wade jr., nicht nur wegen der Diskrepanz im Auftreten zwischen einem äußerlich machtvollen Mann in hoher, aber angefeindeter Position und einem, der innerlich völlig unsicher ist, sondern vor allem durch seinen angenehm kraftvollen, in den Höhen mühelos strahlenden Tenor. Sein Widersacher ist der vor Eifersucht und Ehrgeiz zerfressene Jago; oft dominiert diese Rolle die ganze Oper. In Würzburg aber kann sich Adam Kim trotz seines starken, etwas trockenen Baritons, dem allerdings eine schwarze Tiefe fehlt, nicht so recht durchsetzen gegen seinen verhassten Rivalen Otello. Dennoch bleibt ein Höhepunkt seine großartige nihilistische Abrechnung mit Gott. Etwas seltsam mutet dagegen der Umgang mit dem ominösen Taschentuch Desdemonas an. Da hat es Yong Bae Shin als Cassio mit seinem weichen Tenor leichter, Sympathien zu gewinnen. Die übrigen Venezianer, Roderigo, Joshua Whitener, Lodovico, Bryan Boyce, und Montano, Daniel Fiolka, erfüllen die ihnen zugedachten kleineren Partien sehr ordentlich. Desdemona, die unschuldig der Untreue beschuldigte Gemahlin Otellos, erhält bei Karen Leiber ausschließlich tragische Züge; schon äußerlich wirkt sie nicht jung, sondern gezwungen in eine einengende, unvorteilhafte Kleidung, und ihr eher dramatisch als lyrisch geprägter Sopran kann auch bei der wunderbaren, traurig schönen Arie an die Weide deshalb weniger anrührendes Mitgefühl entfalten. Die Emilia der Barbara Schöller wird von der Regie ebenfalls in eine Uniform gepresst und erweist sich so eher als kalte Handlangerin ihres Gatten Jago denn als Vertraute der armen Desdemona.

Am Ende gibt es bei der Premiere im vollen Haus insgesamt begeisterten Beifall, aber auch einige Buhs für den Regisseur, jedoch großen Jubel vor allem für Dirigent und Orchester sowie die Sängerinnen und Sänger.

Renate Freyeisen

 



Fotos: Falk von Traubenberg