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Fakten zur Aufführung 

MADAMA BUTTERFLY
(Giacomo Puccini)
28. September 2014
(Premiere)

Mainfranken Theater Würzburg


Points of Honor                      

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Gesang

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Vergeblicher Traum einer Liebe

Eine Geschichte von Liebe und Tod, vom Zusammenprall zweier Welten, der westlichen und der östlichen, welcher in eine Katastrophe durch die Überheblichkeit der vermeintlich überlegenen Kultur mündet, das ist die Oper Madama Butterfly von Giacomo Puccini. Und ihre emotional anrührende Wirkung wird noch gesteigert durch die Musik. Der Komponist, der bei der Uraufführung in Mailand 1904 ein Fiasko erleben musste, überarbeitete das Werk mehrmals. So kann man kaum von einer Fassung letzter Hand sprechen. Im Verlauf dieser Änderungen aber verschieben sich die Profile der handelnden Personen. Aus dem rücksichtslosen Imperialisten Pinkerton, der die Geisha Butterfly samt ihrer Kultur gering schätzt, nur sein Vergnügen will, wird später ein leichtsinniger Ausländer; aus der Butterfly, die von ihrer verarmten, einst hoch stehenden Familie wegen ihrer bedingungslosen Liebe zu einem Fremden und seiner Kultur verstoßen wird und trotz der Aussichtslosigkeit an Pinkerton festhält, wird so eine in ihr Schicksal ergebene, etwas naive weibliche Figur. Die Würzburger Aufführung greift nun auf die Urfassung zurück für den ersten Akt, belässt es aber für den zweiten wegen der stilistischen Einheitlichkeit in der Hauptsache bei der Pariser Fassung mit der Tenor-Arie am Ende. Das bedeutet musikalisch wie inhaltlich eine stärkere Betonung der unterschiedlichen Herkunftssphären, eine stärkere Kontrastierung zwischen der scheinbar überlegenen, aber eher groben westlichen Zivilisation, vertreten durch den Amerikaner Pinkerton, und der östlich verfeinerten, sensiblen, ritualisierten Kultur, vertreten durch Butterfly. Auch wenn sie am Schluss stirbt, Harakiri begeht um der Ehre willen wie ihr Vater, so ist sie doch letztlich die moralisch Stärkere – Parallelen zu unseren heutigen weltpolitischen Befindlichkeiten nicht ausgeschlossen.

Regisseurin Arila Siegert, eigentlich vom Ausdruckstanz her kommend, belässt das Geschehen weitgehend in seiner Zeit um 1900 und an seinem Ort, Nagasaki, verfremdet also nicht. Ihrer Konzeption des eher Schlichten, auf die inneren Konflikte konzentrierten Ablaufs kommt entgegen, dass das japanische Umfeld auch von Reduktion geprägt ist. So kann ihr Bühnenbildner Hans Dieter Schaal für den ersten Akt einen hellen Raum mit den typisch japanischen Papier-Schiebetüren entwerfen, in dem nur ein niederer Tisch in einer Sitz-Mulde und ein Opferaltar ein Zimmer andeuten. Im zweiten Akt steht dann das Haus der Butterfly auf fragil wirkenden Stelzen; die Mitte dominiert eine Art Boot, das auch an ein Bett erinnert. Die Lichtregie von Roger Varoni erzielt dabei passende Stimmungswechsel. Was auffällt: Alle Figuren zeigen ihre Herkunft und innere Verfassung in der Bewegung. Dienerin Suzuki trippelt daher, zeigt sich bescheiden und ergeben. Die japanische „Familie“ und der Fürst mit Gefolge unterscheiden sich in ihrer dahin gleitenden Gangart stark von den locker auftretenden Amerikanern. Dank der Ausstattung von Götz Lancelot Fischer erscheinen die Japaner in den passenden exotischen Kostümen samt Fächer und Schirmchen, so dass manche Szene wie aus einem historischen Film wirkt. Doch die oft strenge Anordnung der Figuren vermeidet den Eindruck eines oberflächlichen Folklore-Trubels. Von allen hebt sich die weiß gekleidete Cio-Cio San, die Butterfly, ab. Ihre Seelenregungen, ihre Verzweiflung, aber auch ihr geradezu das Glücksgefühl beschwörendes Auftreten, von tiefer Liebe und Sehnsucht erfüllt, werden deutlich auch in kleineren Gesten; stets ist sie von Beherrschung, von bewusster Haltung nach außen hin bestimmt. Sie will nicht wahrhaben, dass Pinkerton sie nur als schönen Zeitvertreib gesehen hat, und deshalb zögert sie in der Briefszene auch das Verlesen der negativen Botschaft so lange hinaus. Auch dass sie nur eine gekaufte Liebesepisode für den Amerikaner ist, während sie sich echten Gefühlen für ihn hingibt, Geld für sie nicht wichtig ist, wird szenisch deutlich. Konsul Sharpless ist sowohl Vermittler wie gleichzeitig warnender, wohlmeinender Skeptiker und bringt das auch mit eher hilflosem Auftreten zum Ausdruck. In der Inszenierung aber gibt es auch eine Gestalt, die in dieser Form im Libretto von Giacosa und Illica nicht vorgesehen ist: Aus dem Onkel Bonzo, der im ersten Akt das alte Japan verkörpert, wird im zweiten Akt eine Symbolfigur für den Tod: Er ist immer anwesend, bewegt sich unerkannt in der Szene, führt am Ende, als Butterfly Selbstmord begeht, den kleinen Sohn weg.

Alles aber erhält durch die hinreißende musikalische Umsetzung packende Dichte, so dass die Aufführung keinen Moment an Spannung verliert. Schon die Ouvertüre, schicksalhaft, irgendwie innerlich erregt, vermittelt durch das temperamentvolle, sehr aufmerksame Dirigat von Enrico Calesso die nötige Stimmung: die Musik taucht dann die Zuhörer ein in das Aufeinanderstoßen der zwei verschiedenen Kulturkreise: Immer wieder wird die amerikanische Nationalhymne zitiert, und durch die Raffinesse, wie der Komponist japanisch Anmutendes ins Ganze einbindet, kann das hervorragend aufgelegte Philharmonische Orchester in breiten, in flirrenden Melodiebögen und feinen Kantilenen Süße und Exotik hervorzaubern, aber auch emotional anrühren. Die ausgezeichnete Sänger-Besetzung unterstreicht das noch.

Der portugiesische Tenor Bruno Ribeiro ist dabei die ideale Verkörperung für einen schneidigen, attraktiven Marineleutnant Pinkerton, der anfangs allzu ignorant und selbstbewusst auftritt, am Schluss aber in Nostalgie schwelgt und sein Verhalten bitter bereut. Seine stets präsente, große, kraftvolle, wenn auch etwas harte, sehr höhensichere Stimme unterstützt diese Rollenzeichnung noch. Als Landsmann Sharpless gewinnt David Fiolka sowohl mit seinem verständnisvollen Taktieren als auch mit seinem hellen, weichen Bariton viel Sympathie. Joshua Whitener als oft lästiger, durchtriebener Heiratsvermittler Goro Quelle vielen Unheils spielt quirlig und singt sehr ordentlich. Die japanischen Verwandten der Cio-Cio San, also der gestrenge Onkel Bonzo, Heyong-Joon Ha, der westlichen Genüssen und dem Alkohol allzu sehr zuneigende Onkel Yakusidé, Taiyu Uchiyama, Mutter, Tante, Kusine und Neffe, der kaiserliche Kommissar und der Standesbeamte sowie Fürst Yamadori, Deuk-Young Lee, gefallen bei angemessenem Gesang vor allem darstellerisch. Alle aber überstrahlt Karen Leiber als Butterfly: Nicht nur ihre berührende Rollenzeichnung, ihre psychologisch stimmige Durchdringung der Figur, sondern auch die sängerische Gestaltung dank ihres schmiegsamen, hellen, kräftigen, glänzenden, in den Höhen aufblühenden Soprans macht das Hören zum Genuss – und scheinbar ohne Anstrengung bewältigt sie die Partie von Anfang bis Ende ohne Schwächen. Auch Sonja Koppelhuber als treue Suzuki kann mit ihrem dunklen, kräftigen Mezzosopran diese Dienerin hervorragend darstellen. Als am tragischen Geschehen eher unbeteiligte Kate Pinkerton bewährt sich Barbara Schöller am Ende. Dass der japanisch inspiriert auftretende Chor, einstudiert von Michael Clark, ganz subtile, schimmernde Untermalungen liefert, rundet alles atmosphärisch ab.

Kein Wunder, dass das begeisterte Premierenpublikum alle Mitwirkenden lange mit stehenden Ovationen feiert und selbst beim Hinausgehen noch von dieser emotional so bewegenden Inszenierung schwärmt.

Renate Freyeisen

 

Fotos: Falk von Traubenberg