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Fakten zur Aufführung 

LA FINTA GIARDINIERA
(Wolfgang Amadeus Mozart)
10. Juli 2015
(Premiere)

Theater in der Bibrastraße, Hochschule für Musik Würzburg


Points of Honor                      

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Leidenschaftliche Missverständnisse

Verwirrungen, Verwechslungen, Verkleidung, Verzweiflung und noch viel mehr solcher Gefühlsverwicklungen enthält Mozarts komische Oper La finta giardiniera. Als Neunzehnjähriger schrieb er sie für den Karneval 1775, und diese Opera buffa mit nicht nur heiteren Zügen, sondern manchmal auch schwermütigen Momenten eignet sich bestens für ein junges Team.

So nimmt nicht wunder, dass das Opernstudio der Hochschule für Musik Würzburg in seinem Theater in der Bibrastraße wieder einen umjubelten Erfolg feiern kann. Garant dieses geglückten Abends ist neben Mozarts unvergleichlichem Melodienschatz die lebendige Personenregie von Holger Klembt. Seine Inszenierung bewegt ein etwas verrücktes Völkchen auf der liebevoll mit wenigen verschiebbaren Elementen ausgestatteten Bühne von Andreas Herold, die auch mal in einen Innenraum mit erotischen Barock-Malereien blicken lässt und ansonsten einen Garten mit Blumengirlanden und Teich nur andeutet. Und die Akteure nutzen auch den ganzen Zuschauerraum ohne irgendwelche Hemmungen. Da wirft eine wutentbrannte Dame ihren unwilligen Heiratskandidaten die Treppe hinunter, dass es nur so kracht und das Publikum mitfühlend aufstöhnt. Dieser etwas eingebildete Graf, der gleich seine ganze Ahnengalerie als Gipsköpfe im Koffer mitführt, verteilt als Kavalier der alten Schule Rosen im Parkett, oder der etwas weltferne Don Ramiro gerät aus Versehen mit den Füßen in den Gartenteich, ganz zu schweigen von den flirrenden Launen eines Kammerzöfchens oder den handgreiflichen Anzüglichkeiten eines Podestà. Alle Personen dieser abwechslungsreichen Tändelei um Männertreue und bedauernswerte Mädchen, um weibliche Hyänen und die richtigen Partner sind äußerlich durch die Kostüme von Sylvia Rudolf mit einem gewissen ironischen Augenzwinkern versehen. Graf Belfiore, ein langes Gestell in gelben Hosen und blauem Rock , trägt als Hinweis auf seine altadelige Herkunft Perücke mit Zopf, allerdings blau eingefärbt, Arminda, die feurige, heiratsverrückte Nichte des Podestà, eines bürgerlich soliden Herrn, erscheint mit ausgefallener, rot aufgetürmter Frisur, alle anderen verkörpern heutige, eher normale Menschen. Ansonsten ist heiteres, leichtes Spiel mit Anspielungen angesagt. Da kündigt sich das Kommen des Grafen durch quietschende Reifen eines Sportwagens an, Sandrina singt vom Täubchen, das dann auch prompt davonfliegt, verschiedene Mordwerkzeuge begleiten die Liebesraserei. Das rasante Tempo der Auftritte entspricht dem unberechenbaren Wechselbad der Gefühle. Der Podestà macht sich zuerst an Sandrina heran, die reizende, aber falsche Gärtnerin im Blumenkleid, die eigentlich die Gräfin Violante auf der Suche nach ihrem entschwundenen Geliebten Belfiore ist; dieser hat sie einst in einem Anfall von Eifersucht verletzt und ist auf der Flucht, weil er glaubt, sie getötet zu haben. Nun soll er auf dem Weg in eine geregelte Existenz die Nichte des Podestà heiraten. Doch auf dessen Landgut begegnen sich die ehemals Verlobten; Ergebnis: Sandrina fällt in Ohnmacht, Belfiore erkennt die Totgeglaubte wieder, lehnt die Verbindung mit Arminda ab; diese rast vor Wut, und bis alle Wogen sich glätten, muss Sandrina/Violante erst noch verrückt werden, Belfiore in emotionalen Wahnsinn geraten. Doch am Ende finden sich drei Paare: Belfiore und Violante sind wieder vereint, Gärtnergeselle Nardo, eigentlich der Diener der Gräfin, kann nach vielem Hin und Her die zickige Serpetta, eine kleine Schlange, die es auf alle Männer abgesehen hat, für sich gewinnen, und Arminda rettet sich in die Arme des langweiligen Ramiro, den sie früher abgewiesen hatte. Nur der Podestà geht leer aus, aber wer weiß …

Diese höchst vergnügliche Konfusion um verwickelte Liebes-Leidenschaften wird von Mozarts Musik äußerst effektvoll auch mit den zugehörigen Naturgeräuschen untermalt und von humorvollen „Kommentaren“ unterstrichen. Das Barockorchester der Hochschule unter dem umsichtigen Dirigat von Andreas Meier lässt schon in der zupackenden, frischen, neckisch betonten Ouvertüre durch seinen Schwung aufhorchen, und wenn im Folgenden die Intonation bei den Streichern nicht immer stimmt, machen das die guten Bläser wieder wett. Das turbulente Bühnengeschehen gelingt bestens durch die extrem einsatzfreudigen Darsteller und durch ihre ausgezeichnet geführten jungen Stimmen. Mozart hat den Sängern keine allzu langen Arien zugedacht, doch die Rezitative müssen lebendig gestaltet werden. Als honorig auftretender Podestà bewährt sich Björn Beyer mit sicherem Tenor, und in der Hauptrolle der falschen Gärtnerin Sandrina alias Violante glänzt Graciela Rivera Quiroz nicht nur durch ihren wunderbar klaren, vollen, runden Sopran in gefühlvoll gestalteten Arien, sondern auch durch ihr anrührendes Spiel. Ihr geliebter, vermisster und endlich wiedergefundener Graf Belfiore erhält durch Johannes Strauß fast unfreiwillig komische Züge, wenn er sich der weiblichen Attacken und Avancen kaum noch erwehren kann; sein heller Tenor bewältigt alle Anforderungen seiner Partie mühelos. Eine Wucht an weiblicher Aggression und gleichzeitig attraktiv gefährlich ist Boohee Moon; die koreanische Sängerin bringt den dafür nötigen dramatischen Elan in ihrem flexiblen Sopran mit. Als quirlige, kokette und grazile Serpetta ist Hee Eun An eindeutig der Publikumsliebling, und ihr heller, schmiegsamer Sopran trägt all ihre kapriziösen Launen. Dass sie zuerst Nardo alias Diener Robero ablehnt, ist kaum zu verstehen, denn Hoyeon Song bringt einen herrlich kräftigen, dunklen Bariton mit. Nur Lena Elisabeth Vogler hätte man in der Hosenrolle des traurig verliebten Don Ramiro weniger Schärfe in ihrem nicht allzu dunklen Alt gewünscht.

Das Publikum im ausverkauften Haus bejubelt lange und mit Bravorufen die Sängerinnen und Sänger und das Regieteam.            

Renate Freyeisen

 

Fotos: Andreas Herold