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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
28. März 2015
(Premiere)

Mainfranken Theater Würzburg


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Sehnsucht nach Freiheit

Ist Freiheit nur eine Fiktion? Eine Utopie in der Scheinwelt des Theaters? Sind wir als Gesellschaft nicht doch immer gefangen in Konventionen? Solche Fragen wirft der Schluss von Beethovens Oper Fidelio am Mainfranken-Theater Würzburg auf. Hier wird der Glaube an den Sieg der Menschlichkeit kritisch hinterfragt von Regisseur Stefan Suschke.

Dennoch gelingt ihm mit diesem skeptischen Finale, das zwar jubelnd einen Preisgesang anstimmt auf Gattentreue und Befreiung von politischer Willkür, aber Volk und Minister zeigt als marionettenhafte, verkleidete Gestalten einer Theateraufführung, eine sinnvolle Deutung: Alles bleibt Wunschdenken, gespieltes Bekenntnis, Sehnsuchtsvision. In gewisser Weise entspricht eine solche Auslegung der Oper ein wenig auch ihrem Entstehungsprozess und dem Anliegen des Komponisten. Denn erst die dritte Fassung des Stoffes, den vorher schon andere bearbeitet hatten, erzielt einen dauerhaften Erfolg. Und Beethovens einziges Musikdrama verweigert sich sowohl in den Finali des ersten wie auch des zweiten Aktes jeglicher vordergründiger Wirkung: Der erste Akt endet in einem nachdenklichen, still verklingenden Ensemble, der zweite in einer riesig geweiteten, emphatisch oratorienhaften Affirmation. Das hat etwas Unwirkliches an sich. Während im ersten Akt alle Beteiligten in dezenter heutiger Alltags- und Berufskleidung auftreten, wandelt sich im zweiten Akt das Äußere der Personen grundlegend, als Florestan endlich befreit ist: Das Volk, von Angelika Rieck nun in Kostüme des 18. Jahrhunderts gesteckt, steht starr, maskenhaft geschminkt hinter den Gittern der düsteren, kalten Käfigarchitektur mit ihren Treppen und Podesten von Momme Röhrbein. Leonore, nun prächtig auftretend in ausladend grüner Robe und mit Siegeskränzchen auf dem Kopf, ihres schwarzen Anzugs als Fidelio ledig, darf durch die Vermittlung des Ministers, der hier äußerlich und im Auftreten eher einem Zauberer oder Theater-Magier ähnelt, wieder zur Frau werden. Aber irgendwie präsentiert sie nur die liebende Gattin, gefällt sich in dieser Rolle. Alle anderen bleiben sich dagegen treu. Das hebt, vielleicht auch im Sinne Beethovens, ein wenig die Euphorie auf, die sich bei dem geradezu bombastischen Finale einstellt. Während der Regisseur im ersten Akt die Personen sich eher natürlich bewegen lässt – der Anfang mit Marzelline ähnelt ja einem deutschen Singspiel, nicht zuletzt durch die gesprochenen Texte und die häusliche Tätigkeit, also beim Abhängen und Einsammeln der Wäsche – während die Gefangenen nach ihrem berühmten Chor O welche Lust schweigsam, schleppend hintereinander marschieren, ändert sich die Szene im zweiten Akt: Anfangs sind noch Rocco, der alte Gefängniswärter, und Fidelio, sein Gehilfe, mit Taschenlampen tätig; als aber der befreite Florestan und Leonore sich in namenloser Freude als Gatten wiederfinden,  sinken sie nicht, wie es der Text suggeriert, einander in die Arme, sondern scheinen – vor Verzückung oder Ergriffenheit? – immer noch in Distanz voreinander zu verharren. So wird aus dem Finale eher eine Demonstration der Freiheit als eine echte Befreiung. Das gibt dem Zuschauer Anlass zum Nachdenken, während der Hörer überwältigt ist von der Musik.

Die Oper beginnt, zur etwas trocken klingenden, langsam genommenen, wuchtigen Ouvertüre, mit einem Video von Roger Vanoni, das zeigt, wie sich Leonore die Haare abschneidet. Im Folgenden aber leitet Sebastian Beckedorf das Philharmonische Orchester Würzburg mit Umsicht, auch zupackendem Impetus und Bedacht. Dass das Florestan am Ende seiner berühmten Arie, als er sich an seine geliebte Leonore erinnert, doch etwas zu verhalten erscheint, ist ihm nicht zu verdenken. Ansonsten aber werden die Sänger hervorragend durch den Dirigenten gestützt. Allen voran gibt Lukasz Konieczny dem Kerkermeister Rocco mit fülligem, mächtigen, farbenreichen Bass überzeugend menschliches Profil und zeigt ihn als greisen, gebrechlichen, im Grunde gutwilligen Mann. Sein größter Schatz ist seine Tochter Marzelline, von Silke Evers mit rundem, großen, schön klingenden Sopran souverän gesungen und dennoch mädchenhaft kapriziös dargestellt; sie lehnt das Werben des Pförtners Jaquino ab, obwohl Joshua Whitener mit seinem sicheren, hellen Tenor diesen jungen Mann doch recht attraktiv zeichnet; gegen Fidelio, den Gehilfen ihres Vaters, hat er – vorerst – keine Chance. Karen Leiber kann sich in dieser Hosenrolle sehr glaubhaft bewegen, und mit ihrem kraftvoll dramatischen, nirgends harten Sopran überstrahlt sie mühelos alle, gefällt außerdem mit vielen gefühlvollen Färbungen ihrer sicher geführten Stimme. Als Leonore passt sie wunderbar zu ihrem Gatten Florestan; Hans-Georg Priese, als Gefangener wild verzweifelt wirkend, imponiert mit seinem glänzenden, in allen Lagen begeisternd großen Heldentenor. Sein Gegenspieler, der intrigante Gouverneur Pizarro, Bryan Boyce, fällt im Vergleich zu ihm mit seinem nicht allzu starken Bariton doch etwas ab. Auch Daniel Fiolka als Minister Don Fernando, der die politischen Geschicke lenkt und Florestan die Freiheit schenkt, dominiert mit seinem angenehmen Bassbariton nicht allzu sehr, dafür aber mit seinem etwas rätselhaften Auftreten. Ein besonderes Lob verdient der fein abgestimmte, ausgezeichnete Chor und Extrachor, von Michael Clark hervorragend eingestellt.

So bejubelt das Publikum am Ende der Premiere im nahezu ausverkauften Haus ausgiebig und einhellig alle Mitwirkenden und zeigt sich beglückt über eine gelungene Aufführung.

Renate Freyeisen

 

Fotos: Falk von Traubenberg