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Fakten zur Aufführung 

RIGOLETTO
(Giuseppe Verdi)
20. Dezember 2014
(Premiere)

Wiener Staatsoper


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Ein Fluch für den Sänger

Eigentlich ist es keine Überraschung, als Staatsoperndirektor Dominique Meyer, sofort begleitet von einigen Buhrufen, vor Beginn des dritten Aktes bei der Premiere von Giuseppe Verdis Rigoletto vor den Vorhang der Wiener Staatsoper tritt und verkündet, dass Simon Keenlyside wegen schwerer Indisposition nicht mehr weitersingen könne. Denn von Anfang an ist bei dem Sänger, dem scheinbar der Fluch des Monterone, La maledizione war ja auch der ursprünglich von Verdi vorgesehene Titel der Oper, auf die Stimme geschlagen ist, eine gewisse Angeschlagenheit, wie Heiserkeit und Rauheit hörbar, die sich im Lauf des Abends leider noch steigert. Und so verlässt er gegen Ende des zweiten Aktes mitten im Duett mit Gilda plötzlich die Bühne, wobei der Dirigent das Orchester weiter spielen lässt. Dann erscheint er wieder, markiert nur mehr, bringt noch ein paar gequälte Töne heraus, bis es einfach nicht mehr geht. Obwohl offensichtlich eine Indisposition vorliegt, er laboriert schon fast während der gesamten Probenzeit an einem hartnäckigen Virus, beschert ihm das nach Fall des Vorhangs unverständlicherweise noch einige Buhrufe. Einen Sänger, der trotz seiner Krankheit noch versucht, sein Bestes zu geben, in einer solchen Situation auszubuhen, kann nur als skandalös bezeichnet werden. Und das alles bei einer zeitversetzten Live-Übertragung, von der man auch eine DVD anfertigen wollte.

Und das ist schade, denn man hat festgestellt, dass die Inszenierung von Staatsoperndebütant Pierre Audi total auf den englischen Starbariton zugeschnitten ist. Darstellerisch wirkt er mit seinem nackten Oberkörper und mit seiner geschminkten und mit zusätzlichen Haaren versehenen Wirbelsäure regelrecht animalisch. Er ist als geistig „gestörter“ und körperlich behinderter Hofnarr gezeichnet, der nicht nur die Zunge zeigt, sich immer wieder frenetisch kratzt und auch mit obszönen Gesten nicht spart. Und er weiß auch bei seiner Begegnung mit seiner Tochter gesanglich nuancenreich zu berühren. Aber es hilft nichts, im letzten Akt springt dann das Ensemblemitglied des Hauses Paolo Rumetz, der schon in der Generalprobe sein Cover war, ein, der seine Aufgabe nunmehr als gemütlicher, älterer Herr und seinen Abschied von seiner geliebten Tochter Gilda achtbar erfüllt.

Es ist eine heruntergekommene, dekadente Gesellschaft, die man in diesem Rigoletto, jener populären Oper aus Verdis mittlerer Schaffensperiode, die ja bekanntlich der trilogia populare angehört, an der Wiener Staatsoper sieht. Übrigens ist es die erste neue Produktion seit 1983, also seit mehr als 30 Jahren. Man agiert in alten, durchaus geschmackvollen, historischen Kostümen, aber in modernen, abgrundtief hässlichen Bühnenbildern, die alle mit Dreck und Müll bedeckt sind. Die garstige Ausstattung stammt von Christof Hetzer. Zu sehen sind: Eine Stiege, die zu einem goldenen, heruntergekommenen Kubus führt, von einem Palast natürlich keine Spur. Eine Art hölzernen Vogelkäfig, es ist das von Rigoletto gewählte Zimmerchen, eigentlich das Gefängnis für Gilda, das von oben herabschwebt und von einer dunklen Wolke getragen wird. Einen Garten mit verdorrten Bäumchen und Plastikmüllsäcken wie auch eine trostlose Blechkiste, es ist das Haus von Sparafucile, das an einen Totenkopf erinnert. Darin zeigt Audi eine recht konventionelle Inszenierung mit einer orgiastischen Party zu Beginn, in welcher die Personen nicht immer logisch und nicht besonders geschickt geführt werden.

Durchwachsen ist das Ensemble: Gilda wird von Erin Morley, zum ersten Mal am Haus, mit kleinem Sopran, in der Höhe etwas scharf, mit allen richtigen, saubersten Tönen gesungen. Aber sie bleibt seltsam blutleer und berührt zu wenig. Piotr Beczala spielt seinen ersten Herzog von Mantua draufgängerisch, mit langen zottigen Haaren und singt ihn teils forcierend, teils etwas engen Höhen aber mit viel schmachtender Italianità und Schmelz und kann nicht nur mit dem Gassenhauer La donna è nobile punkten. Ryan Speedo Green ist ein kultivierter, wenig böser Sparafucile, der nicht wie ein Bandit wirkt, sondern wie ein Gelehrter einer Universität ausstaffiert ist. Elena Maximova ist eine blasse und wenig erotische Maddalena. Die kleineren Partien fallen, außer Sorin Coliban als stimmgewaltiger Monterone, kaum auf. Solide singt der Chor des Hauses, dessen Einstudierung Martin Schebesta besorgte.

Von Myung-Whung Chung, für Franz Welser-Möst für diese Produktion eingesprungen, hat man sich bei seiner ersten Premiere am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper mehr erwartet. Er lässt es ordentlich lautstark krachen, lässt teils recht derb musizieren, mit zugespitzten Tempi. Es gibt auch einige Unstimmigkeiten mit der Bühne, aber auch schöne, lyrische Momente. Es fehlt letztlich den überreichen, melodischen Erfindungen an spannenden Akzenten und eingängiger Schlagkraft.

Zum Finale gibt es viel Applaus und Bravi für die Sänger, jedoch einige Buhs für den Dirigenten, die sich zu einem Orkan beim Erscheinen des Regieteams steigern.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn