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Fakten zur Aufführung 

LES PÊCHEURS DES PERLES
(Georges Bizet)
16. November 2014
(Premiere)

Theater an der Wien


Points of Honor                      

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Saftige TV-Reality-Show

The Challenge – Die Herausforderung flimmert gleich zu Beginn in großen Lettern über eine, an eine untergehende Sonne erinnernde Leinwand, gewürzt mit schnellen Bildern einer, auf Reisen appetitanregenden Insel. Es ist ein Vorspann, der die nächste Folge der gleichnamigen Serie ankündigt: Nicht in einer vergangenen, exotischen Zeit in Ceylon, sondern im Heute als saftige TV-Reality-Show à la Dschungelcamp lässt Lotte de Beer die unlogische und schwer nachvollziehbare Geschichte der selten gespielten Oper Les pecheurs des perles - Die Perlenfischer von Georges Bizet am Theater an der Wien geschehen, in der drei der Protagonisten gleich die ausgewählten Kandidaten sind.

Und dazu ist ihr wahrlich viel eingefallen : Da sieht man ein omnipräsentes TV-Team mit einem hektischen, stets Kaugummi kauenden Regisseur, der ständig Anweisungen gibt, wie auch einen Moderator – es ist der Priester Nourabad – der nahezu penetrant kommentiert. Da wird szenisch bewusst Kitsch eingesetzt: Überdimensionale Muscheln, gefüllt mit Tänzerinnen und Perlen oder ein bunt beleuchteter Tempel mit Götterstatuen, Säulen und Türmchen, die Bühnenbilder stammen von Marouscha Levy, auf deren Spitze die Liebesnacht zwischen Nadir und Leila passiert. Und dann sieht man immer wieder Projektionen von früheren Ereignissen, wenn diese gerade erzählt werden, oder Großaufnahmen der Protagonisten mit faszinierendem Mienenspiel. Aber die Leinwand kann auch durchsichtig werden und zeigt dahinter öfters ein Haus mit zahlreichen, mehrstöckigen Wohneinheiten. Hier sitzen die TV-Zuschauer vor ihren Glotzen und beobachten sensationsgierig die Show und konsumieren dabei Getränke und Fastfood. Hier spielt sich auch so manche Story im Kleinen ab. Und es wird eifrig gevotet, wie das bei diesen Shows so üblich ist. Das Ergebnis erfährt man immer wieder auf großen Inserts. 91 Prozent sind letztlich für den Tod des Liebespaares und nur 9 Prozent für dessen Begnadigung. Es ist der wieder exzellent singende und spielende Arnold-Schönberg-Chor, der diese unterschiedlichen Menschen darstellt. Er wird von Erwin Ortner geleitet.

Aber diese aktualisierte Konzeption funktioniert, ist logisch, durchaus intelligent und spart auch nicht mit satirischen Einlagen, wenn etwa Leila bei einer Arie Yoga-Übungen vorturnt und diese von allen Wohnungsinsassen in den diversen Einheiten nachgemacht werden, oder wenn zwischen drittem und viertem Akt eine filmische Umfrage bei Straßenpassanten eingespielt wird.

Aber De Beer weiß auch, dass sie sich bei den intimeren Szenen mit den wunderbaren Arien und Ensembles zurücknehmen muss. Da konzentriert sie sich ganz auf die Protagonisten und liefert explosives Musiktheater, etwa bei der Konfrontation zwischen Leila und Zurga in einem Käfig oder mit Großaufnahmen von Sängern, wenn diese etwa eine verzweifelte Mimik zeigen.

Das alles funktioniert aber auch nur deshalb so gut, weil ein extrem spielfreudiges Sängerensemble aufgeboten wird: Die von zwei Männern heißbegehrte Frau heißt Leila, sie ist eine Kandidatin der Show, eine Frau auf Selbstfindungstrip, die für die Show der Sexualität abschwören muss. Diese höchst anspruchsvolle Partie wird von Diana Damrau flexibel, mit saubersten Koloraturen und leuchtenden, seelenvollen Empfindungen gesungen. Dmitry Korchak als ihr geliebter Nadir verfügt über ein wunderbar lyrisches Timbre, mühelose Höhen und sensible Pianokultur. Sehr viril, mit ungemeiner Präsenz, aber trotzdem immer mit weichem, etwas kleinem Bariton singt Nathan Gunn den Zurga, seinen Widerpart in Sachen Liebe zu der gleichen Frau. Er verhält sich immer völlig unterschiedlich, je nachdem, ob eine Kamera auf ihn gerichtet ist oder nicht. Sehr präsent hört man auch Nicolas Testé als Hohenpriester und zynischen Moderator Nourabad , der immer wieder den Chor und das Publikum manipuliert.

Delikat und feinsinnig erklingt das ORF-Radiosinfonieorchester Wien unter Jean-Christopher Spinosi: Viele exotische Klangfarben, wirkungsvolle Stimmungen und zahlreiche Schattierungen werden ausgelotet.

Am Ende gibt es uneingeschränkte, zustimmende Begeisterung beim Publikum.

Helmut Christian Mayer



Fotos: Werner Kmetitsch