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Fakten zur Aufführung 

MACBETH
(Giuseppe Verdi)
10. Oktober 2015
(Premiere am 4. Oktober 2015)

Wiener Staatsoper


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Mordspiele im Betonbunker

Wie ein gewaltiger Wasserstrudel und immer enger werdend, als ob sie ihn verschlingen wollten, umkreisen die aufgebrachten Menschen den schottischen  König, bis er tödlich getroffen zu Boden stürzt: Nicht nur zum Finale gelingen Christian Räth und seinem Ausstatter Gary McCann bei der Neuproduktion von Giuseppe Verdis Macbeth, die rund um seinen 102. Geburtstag an der Wiener Staatsoper stattfand, einige beeindruckende Bilder. Auch faszinieren die Hexen mit ihren weißen zottigen Haaren und übergroßen Militärmänteln, wenn sie hintereinander wie eine einzige große Schlange an den grauen Betonmauern entlang schlängeln, während im Hintergrund eine schwarz verfinsterte Sonne aufgeht. 

Aber damit hat sich’s leider, denn ansonsten ist der hierzulande wenig bekannte, aus Hamburg stammende Regisseur, der bisher hauptsächlich in den USA inszeniert hat oder als Regieassistent und bei Betreuungen von Wiederaufnahmen in Erscheinung trat, in erster Linie auf praktikable Repertoiretauglichkeit für die verschiedensten, möglichen Umbesetzungen am führenden Opernhaus Österreichs bedacht. Das war wohl eines seiner wichtigsten Kriterien, als er diese Neuproduktion in Szene setzte, denn hier spielen Opernproduktionen normalerweise über viele Jahre, oft sogar Jahrzehnte. Denn eine solche von Macbeth war nach dem absoluten Flop der vorherigen Realisierung dieser Oper von Vera Nemirova aus dem Jahre 2009, die damals einhellige Ablehnung bei Publikum und Kritik erfahren hat und schon bald abgesetzt wurde, jetzt notwendig geworden.

Und so zeigt er keinerlei tiefgreifende Neudeutungen, sondern eine klar erzählte Geschichte in einem hässlichen, grauen Betonbunker – eigentlich auch schon  lange keine wirklich innovative Idee mehr – dessen graue Wände sich verschieben und drehen lassen und so, mit einigen Treppen und Gängen versehen, immer neue Räume, wie in einem blutigen Gefühlslabyrinth, entstehen lassen.

Obwohl die Story nach Shakespeare und dem Libretto von Francesco Maria Piave durchaus spannend und tiefgründig ist, bei der die  machtgierige Lady Macbeth ihren ebenso nach Macht strebenden Mann in einen blutigen Reigen von Mord und Intrigen treibt, bis beide schließlich sterben, ist Räths gegenwartsnahe Realisierung in heutigen Uniformen und Roben kaum packend. Die durchchoreographierten Hexenszenen, die er als Geschöpfe des Unterbewusstseins des Titelhelden sehen will, wirken außer bei den eingangs beschriebenen Bildern harmlos und keinesfalls dämonisch. Auch andere Schlüsselszenen wie die Ermordung Banquos und dessen Erscheinungen beim Festbankett werden undramatisch verschenkt. Der Wald von Birnam wird mittels mit weißer Kreide auf die Wände gezeichneter Strichbäumchen symbolisiert und damit hat sich’s.

Wesentlich besser ist da die musikalische Umsetzung: Dirigent Alain Altinoglu, der 2016 Musikdirektor des Théâtre de la Monnaie in Brüssel wird, macht seine Sache mit dem Orchester der Wiener Staatsoper ausgesprochen gut. Ohne die für Paris komponierte Ballettmusik kann man sich bei der gewählten zweiten Fassung der Oper aus 1865 an großer Differenzierungskunst, an feinen Piani und den gewünschten dunklen, fahlen Farben aber auch an vielen dramatischen Ausbrüchen erfreuen, wenn es auch letztlich an Brio, an einer packenden Hochspannung fehlt.

George Petean als kurzfristiger Einspringer, der die Rolle auch in unglaublich kurzer Zeit erarbeitet hat, singt bei seinem Rollendebüt wunderbar kultiviert mit lyrischem Bariton, anfänglich etwas blass und mit zu wenig Dämonie. Darstellerisch ist er aber ein ziemlich harmloser, teil ungelenker und zu wenig böser Macbeth. Ein Macbeth mit Hauspatschen und Schlafmantel in einer Hexenszene ist nicht wirklich zum Fürchten, sondern wirkt einfach nur lächerlich. Tatiana Serjan, die auf die Partie der Lady Macbeth weltweit abonniert zu sein scheint, singt sie bei ihrem Hausdebüt mit beeindruckender Riesenstimme, hoher Dramatik, ungefährdeten Spitzentönen, aber auch Sinnlichkeit und vielen feinen Tönen, vor allem in der Nachtwandlerszene. Jorge de León gibt den Macduff mit viel Druck und Tremolo. Ungemein edel erlebt man den Bass von Ferruccio Furlanetto als Banquo, einer der besten des Abends, der leider viel zu früh ermordet wird. Mehr als solide erlebt man die kleinen Rollen mit Jinxu Xiahou als schönstimmigem Malcolm, Ivan Beaufils als Fleance, Jongmin Park als Spion sowie Donna Ellen als Kammerfrau.  Der Chor der Wiener Staatsoper, dessen Einstudierung Thomas Lang besorgt hat, ist nicht immer eines Sinnes: Bei den Damen und hier speziell bei den Hexen wirkt er hin und wieder sogar inhomogen, weil einzelne Stimmen immer wieder hervorstechen.

Das Publikum ist mit dieser Produktion vollauf zufrieden. Es reagiert mit ungetrübtem Beifall.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Michael Pöhn