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Fakten zur Aufführung 

LADY MACBETH VON MZENSK
(Dmitir Schostakowitsch)
8. März 2015
(Premiere am 23. Dezember 2009)

Wiener Staatsoper


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Ein nur musikalisch drastischer Thriller

Stalin liegt am Boden. Auf seiner umgestürzten, zerbrochenen Büste am Bühnenrand wird gepeitscht, Rattengift versteckt und auch gestorben: Es sind Bilder von großer Symbolkraft, denn gerade dieser brutale Diktator der ehemaligen Sowjetunion hat  nach einem Besuch im Jahr 1935 von Lady Macbeth von Mzensk diese Oper, die ein Jahr zuvor uraufgeführt wurde, verboten und den Komponisten Dimitri Schostakowitsch lebensgefährlichen Repressionen ausgesetzt. Denn damals galt es noch als ungehörig, Ehebruch, Vergewaltigung und Mord auf der Bühne zu zeigen sowie – und was das Schlimmste war – die staatliche Obrigkeit in Form der Polizei herabzusetzen oder gar lächerlich zu machen.

Matthias Hartmann hat seine Inszenierung an der Wiener Staatsoper aus 2009 nochmals neu einstudiert. Er hat die Urfassung dieses Werkes von 1934, die hier am Haus 2009 erstmalig gezeigt wurde – denn bisher wurde lediglich die unter dem Titel Katerina Ismailowa bearbeitete, geschönte Version dieses Werks aufgeführt – recht harmlos in Szene gesetzt. Die Geschichte von Sex and Crime, die geradezu nach krassem, drastischem Realismus schreit, wird vom ehemaligen Burgtheaterdirektor in einem am Boden und an den Wänden mit Parkett ausgelegten, meist recht kahlen Einheitsraum mit durchscheinbaren Vorhängen beinahe „jugendfrei“ inszeniert. Denn nur angedeutet oder bloß im Schatten werden die Sexszenen gezeigt. Auch der Vergewaltigung, dem Mord sowie dem Schlussbild fehlt es an Drastik und Brutalität.

So ginge viel von der erforderlichen und gewünschten spannungsgeladenen, thrillerartigen Atmosphäre verloren, wenn da nicht, wie schon 2009, Angela Denoke wäre, die die Katerina Ismailowa bis an ihre Grenzen auslotet. Sie ist eine unbefriedigte bis exzessive Titelheldin, die ihre Leidenschaften auslebt und noch dazu grandios, expressiv und glasklar singt. Ihr Spiel und Gesang gehen unter die Haut. Sie ist schlichtweg ein Ereignis! Kurt Rydl singt den despotischen und geilen, ständig mit einer Taschenlampe als Schatten im Haus herumschleichenden Vater Boris polternd und stimmgewaltig, mit ungemein starker Präsenz und geradezu gemeiner Bösartigkeit. Marian Talaba, der seinen schwächlichen und blassen Sohn Sinowij verkörpert, singt und spielt ihn ideal. Der Arbeiter und vom Typ her der bestmögliche Verführer Sergej wird von Misha Didyk mit schönem, etwas zu wenig strahlenden Tenor gesungen. Monika Bohinec ist eine kokette, dunkelstimmige Sonjetka. Die vielen kleineren Rollen sind wie gewohnt von Ensemblemitgliedern gut bis sehr gut besetzt. Aus diesen stechen noch Donna Ellen als gequälte und vergewaltigte Axinja, Herwig Pecoraro als Schäbiger, Sorin Coliban als mächtiger Polizeichef heraus.
Das Orchester der Wiener Staatsoper unter dem souveränen und beinahe jeden Einsatz zeigenden Ingo Metzmacher zeigt mit einmal zusätzlichen, ausgelagerten Blechbläsern vor dem Vorhang,  sehr sauber und akkurat die irreguläre Rhythmik mit schneidenden Orchesterfarben und krasser Realistik. Pathetische Lyrik wechselt mit Groteskem, illustrative Vulgarität mit parodistischer Überspitzung. Vor allem die orchestralen Zwischenspiele sind ein Gedicht. Es entsteht teils eine Siedehitze, die den Spannungstopf zum Überkochen bringt!

Dem Publikum gefällt es uneingeschränkt. Es gibt viele bravi, die meisten für Angela Denoke, Kurt Rydl, den Dirigenten und das Orchester.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Michael Pöhn