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Fakten zur Aufführung 

IDOMENEO
(Wolfgang Amadeus Mozart)
11. Oktober 2014
(Premiere am 5. Oktober 2014)

Wiener Staatsoper


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Statischer Krach auf Kreta

Mit dem Rücken zum Publikum steht der Titelheld, die Krone auf dem Kopf, in einen Soldatenmantel gehüllt und mit Stiefeln an den Beinen. Er steht auf einer uralten, riesigen, den gesamten Boden bedeckenden Landkarte, die das ägäische Meer wie auch Kreta und Troja zeigt. Durch einen gewaltigen, schrägen, hängenden Spiegel – nicht neu, aber immer wieder beeindruckend – kann man diese, wie auch die darauf abgestellten Figuren, die wie Schachfiguren wirken, auch von oben sehen, was zu reizvollen Dopplungen führt. Der König von Kreta beginnt schon während der Ouvertüre, die Figuren umzustellen oder umzuwerfen. Er spielt offenbar Krieg. An die Titelsequenz der TV-Serie Game of Thrones erinnert das ebenso wie die daran angelehnten und von Anja Vang Kragh erdachten Kostüme. Dann nimmt er Abschied von einem kleinem Jungen, offenbar seinem Sohn, bevor er in den Krieg zieht: Neugierig macht der Beginn von Wolfgang Amadeus Mozarts Idomeneo, der ersten Neuproduktion der heurigen Saison an der Wiener Staatsoper. Als dann noch die trojanischen Gefangenen an Seilen gefesselt von oben herunterbaumeln und Ilia ihre erste Arie in der Luft schwebend singt, steigert sich die Neugier. Aber damit hat der dänische Regisseur Kaspar Holten dann offenbar schon sein Pulver verschossen, denn bald regiert nur noch Statik bis zum Stillstand. Da kann man sich nur noch in Wehmut an die vor knapp einem Jahr gezeigte, imponierende Inszenierung von Damiano Michelietto von Mozarts 1781 uraufgeführtem, ersten Meisterwerk am Theater an der Wien mit Wehmut erinnern.

Aber Holten, Intendant des Royal Opera House im Londoner Covent Garden, erklärt schon im Vorfeld, dass er eine praktikable Lösung, keine modische, sondern eine haltbare Produktion für die Staatsoper machen wolle. Eine solche ist es zweifellos geworden, und sie wirkt gleich bei der Premiere nicht mehr frisch. Denn in diesen bewegungsarmen Bildern, die zugebenermaßen durch die Spiegelungen und durch ein fallweise weiteres Hochfahren eines zweiten, mächtigen Deckenrahmens – die Bühne stammt von Mia Stensgaard – durchaus ihren Reiz haben und nur durch gesichtslose, blutige Geister und zum Finale durch das Herabstürzen der Idomeneo-Statue unterbrochen werden, können sich die Sänger bei den vielen Neu- und Umbesetzungen – an der Wiener Staatsoper werden Produktionen üblicherweise über mehrere Jahre immer wieder gespielt – leicht und problemlos einfügen. Nicht besonders ergreifend ist die Erkennungsszene zwischen Vater und Sohn. Aus dem Liebesdreieck von Idamante, Ilia und Elettra macht der Regisseur eine Viererbeziehung, denn der Titelheld scheint Ilia auch zu begehren und wird so zum Rivalen seines Sohnes. Zum Finale verhindert das Volk die Opferung des Sohnes und stürzt Idomeneo, ebenso wie seine Statue, in einer kleinen Revolution, bei der Idomeneo von Arbace festgenommen wird. Durch zwei Pausen noch weiters unnötig gedehnt, wird der Abend durch diese lähmende Statik doch recht langatmig.

Obwohl Michael Schade als Titelheld bei seiner Paradearie Fuor del mar die heiklen Koloraturen nicht mehr sauber beherrscht und zugunsten einer expressiven Geste verwischt, ist er der überragende Sänger des Abends mit enormer, dramatischer Strahlkraft. Es ist faszinierend, wie er den zerrissenen, seelisch gebrochenen, zwischen Vaterliebe und Ablehnung schwankenden Antihelden zeigt. Die junge Margarita Gritskova ist ein ergreifender, seelenvoller Idamante. Sie singt auch die zusätzlich integrierte Arie Non temer, amato bene, die eigentlich nicht für die Bühne, sondern für ein Wiener Konzert von Mozart geschrieben wurde. Wie überhaupt etliche Nummern umgestellt wurden, was einen unlogischen Beziehungsslalom zwischen Idomeneo und Ilia bewirkt. Diese trojanische Prinzessin wird von Chen Reiss mit sanften, lieblichen Tönen gesungen. Maria Bengtsson ist eine darstellerisch und musikalisch fast zu sanfte Elettra, die alle drei Arien singen darf. Sie ist immer auf Schönklang bedacht, dabei fehlt es ihr an vokalem Feuer. Pavel Kolgatin ist ein sehr sicherer Arbace mit schönem Tenor, dem allerdings beide Arien gestrichen wurden. Ohne Tadel hört man Carlos Osuna als Hohepriester. Eine Wucht ist der Staatsopernchor, der von Thomas Lang profund einstudiert wurde, vom Regisseur meist nur als Block geführt wird und wie ein Bestandteil des Bühnenbildes wirkt.

Christoph Eschenbach am Pult des fabelhaft disponierten Staatsopernorchesters zelebriert ein akzentfreies und fast konturenloses Dirigat, meidet klangliche Extreme, ist immer auf romantischen Klang bedacht, ohne die Dynamik und Akzente in irgendeiner Form besonders auszureizen.

Das Publikum scheint von der Produktion auch nicht besonders angetan zu sein, es spendet nur kurzen Beifall.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn