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Fakten zur Aufführung 

EUGEN ONEGIN
(Pjotr Iljitsch Tschaikowsky)
25. Oktober 2015
(Premiere am 7. März 2009)

Wiener Staatsoper


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Sängerische Oberliga in inszenatorischer Kühle

Wirklich störend ist die Inszenierung zwar nicht. Es gibt derzeit Schlimmeres an der Wiener Staatsoper. Aber besonders aufregend ist die Regie von Falk Richter von Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Eugen Onegin aus 2009 auch nicht, vor allem deshalb, weil der Haupteinfall seiner Konzeption ein ständiges Beschneien der Hinterbühne mit stehenden, sich umarmenden Pärchen ist. Und so wissen wir nicht erst am Schluss wirklich alle, dass für den Regisseur der dichte Dauerschneefall eine Metapher für das erstarrte Gefühlsleben der Protagonisten und der russischen Volksseele insgesamt ist. Sonst gibt es auf der leeren Bühne von Katrin Hoffmann nur wenige Versatzstücke, wie künstliche, von innen erleuchtete Eisblöcke, die als Bett und als Sitzgelegenheiten dienen und auf denen sich Tatjana räkelt. Lyrische Szenen benannte der russische Komponist seine Oper nach der Vorlage des Romans von Alexander Puschkin, aber hier in Wien fehlt es leider bewusst an jeglicher Wärme und Menschlichkeit, da fehlen Melancholie und Hoffnung: Die Knechte und Mägde kehren seltsamerweise in blauen Drillichanzügen mit Werkzeugkoffern  von der Ernte heim, die normalerweise vitale Polonaise-Szene erstarrt ohne Ballett oder sonst irgendeinem Tanz im stoischen, schneckenhaften Herabschreiten gleichgewandeter Paare auf einer Art Showtreppe im nüchternen Schwarz-Weiß der Kulisse. Zudem sind alle Figuren nur beiläufig gezeichnet und geführt.

Aber in erster Linie ist man ohnedies nicht wegen dieser nichtsagenden Inszenierung gekommen, die man schon mehrfach ertragen musste, sondern wegen der Sänger und vor allem wegen einer Sängerin. Und da sind die Erwartungen sehr hoch. Denn immerhin steht der Name Anna Netrebko auf dem Programmzettel, die in der aktuellen Aufführungsserie mehrfach die Tatjana singt. Und natürlich sind viele hauptsächlich oder nur deshalb gekommen, um sie singen zu hören. Aber alle kommen auf ihre Kosten. Denn sie singt diese Partie reich an Schattierungen, von kaum hörbaren, feinsten Piano bis zu ihren gewaltigen, emotionalen Ausbrüchen. Die Briefarie sowie das Finale werden durch ihren bekannt wunderbar dunkel timbrierten Sopran überhaupt zum Ereignis. Glaubhaft und detailreich ist auch ihre Wandlung vom schüchternen, fast trotzigen Mädchen zur souveränen, edlen Fürstin. Und es ist immer wieder erstaunlich, dass sich die Sängerin trotz des großen Hypes um ihre Person im Gegensatz zu so manchen anderen Kolleginnen immer völlig ohne Allüren in ihre Rolle und ins Ensemble einfügen kann. Christopher Maltman singt seinen ersten Titelhelden überhaupt. Kräftig und fassettenreich ist sein Bariton, es fehlt auch nicht an überzeugender, hautnaher Emotion. Auch kann er, wenn nötig, mit harter Kühle singen. Darstellerisch seine besten Momente hat er beim großen Eifersuchtsstreit wegen Olga, der dann zum verhängnisvollen Duell wird, und zum Finale, wenn er von Tatjana endgültig abgewiesen wird. Dmitry Korchak ist Lenski. Er spielt die Figur des sensiblen Dichters zuerst liebenswert, übermütig, dann voll brennender Eifersucht und schließlich verzweifelt. Er singt ihn mit einem herrlich klingenden, ungetrübten, höhensicheren Tenor, vor allem in seiner großen Abschiedsarie vermag er intensiv zu berühren. Zoryana Kushpler kann als quicklebendige Olga mit Koketterie und ihrer dunklen, schönen Stimme punkten. Pavel Kolgatin tritt als Monsieur Triquet wie ein Rockstar mit Glitzerjacket auf und meistert diese Partie bravourös. Und Ferruccio Furlanetto ist wie immer ein edler, gefühlvoller Fürst Gremin mit großer Würde. Tadellos singen auch Monika Bohinec als Larina Aura Twarowska als Filipjewna sowie der Staatsopernchor.

Souverän, aber etwas zu routiniert leitet Patrick Lange das Orchester der Wiener Staatsoper. Zwar lässt er immer wieder nuancen- und farbenreich musizieren, es fehlt aber doch etwas an Emotionalität, die spannungsvollen Momente ließen sich noch mehr ausreizen.

Großer Jubel und lautstarke Ovationen für alle werden schon nach den jeweiligen Arien, aber vor allem zum Ende von einem restlos begeisterten Publikum gespendet.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Michael Pöhn