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Fakten zur Aufführung 

DON PASQUALE
(Gaetano Donizetti)
5. Mai 2015
(Premiere am 26. April 2015)

Wiener Staatsoper


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Der endlose Kampf mit dem Toupet

Irgendwann hört man dann doch auf zu zählen, wie oft dem Titelhelden sein Toupet heruntergefallen ist und wie oft er es wieder aufgehoben hat. Er sich das Haarteil zu seinem ersten Rendezvous mit seiner jungen Zukünftigen selbst verpasst, offensichtlich umso jünger zu wirken. Dieser endlose Kampf mit dem Toupet wird zum running gag. Auch seinen falschen Moustache muss sich Don Pasquale immer wieder anpicken.

Gaetano Donizettis Don Pasquale ist nun mal eine komische Oper, was sich schon allein aus der witzigen Geschichte vom geprellten, eigenbrötlerischen Lustgreis ergibt, der auf seine alten Tage gern noch ein junges Mädchen ehelichen möchte. Deshalb ist es auch völlig legitim, den Betrachter immer wieder zum Lachen zu bringen. Dafür sind der Regisseurin Irina Brook bei dieser Neuproduktion der drittletzten Oper des reifen, italienischen Schnellschreibers von 1842 an der Wiener Staatsoper, wo sie 38 Jahre nicht gezeigt wurde,  auch ein wahres Feuerwerk an Gags und Bewegungsslapsticks eingefallen. Und es wird ständig wunderbar herumgeblödelt. Herrlich, wie etwa der Titelheld wie ein lächerlicher Gockel ständig um seine Angebetete herumtanzt.

Don Pasquale ist offensichtlich der Inhaber eines etwas heruntergekommenen, heutigen Nachtclubs. Noëlle Ginefri-Corbel hat die Bühne entworfen, die im zweiten Teil in eine rosarote, grelle Kitschwelt mit geschmackloser Tigerornamentik mutiert, mit völlig überzogenen, schrägen Kostümen, die Sylvie Martin-Hyszka kreiert hat, mit teils besoffenen Figuren aus der Halbwelt, mit zwei angestellten Dienern, bei denen vor allem der ältere, Eduard Wesener, in dieser stummen Rolle mit dezenter, mitleidender Komik brilliert.

Aber bei Komödien scheiden sich ja bekanntlich die Geister, denn die Frage, was lustig ist oder nicht, ist nur individuell zu beantworten. Es wird zwar herrlich geblödelt, und die Protagonisten scheinen auch richtig Spaß daran zu finden. Die wüste Ironie und die Slapsticks sind auch gut gesetzt, bleiben aber immer nur an der Oberfläche. Denn diese Komödie hat viele Schichten und schrammt wohl auch manchmal ins Tragische ab. Davon ist allerdings nichts zu spüren. Denn man vermeidet jeglichen tiefenpsychologischen Zugang. Vieles wird zugunsten der billigen Pointe geopfert. Und nach anfänglich noch passender humoriger Dosierung wird es dann in der zweiten Hälfte doch etwas zu viel.

Michele Pertusi scheint völlig in seinem Element zu sein. Er blödelt nicht nur mit Freude und Inbrunst, sondern singt auch den Titelhelden mit kraftvollem Bariton. Er kostet die rhetorischen, zungenbrecherischen Aperçus mit Wonne aus, einmal vor dem Vorhang gemeinsam mit Allesio Arduini als Doktor Malatesta, dem nicht minder eloquenten Drahtzieher der Intrige, wo sie sich ein wahres Duell an Sechzehntelnoten liefern. Die blutjunge Valentina Nafornita hat nicht nur eine Modelfigur, ihre Vorzüge werden auch mit heißen Höschen immer wieder zur Schau gestellt. Sie singt auch mit großer Modulationsfähigkeit alle Spitzentöne und nötige Koloraturen. Star des Abends aber ist zweifellos Juan Diego Flórez als Ernesto, immer noch die Nummer eins unter den lyrischen Belcanto-Tenören. Der Peruaner platziert nicht nur seine schon legendären Spitzentöne mit absoluter Sicherheit und Strahlkraft, sondern vermag auch wunderbare sensible, melodische Linien zu modellieren. Seine finale Serenade zwischen rosa blinkenden Minipalmen, die er ganz in weiß, begleitet von zwei mexikanisch anmutenden, spiegelbildlich agierenden Gitarristen, absolviert, wird zu einem Höhepunkt des Abends. Saubere Töne vernimmt man auch von Wolfgang Igor Derntl als Notar und dem putzenden, hoch motiviert singenden Chor, der wiederum sehr bewährt von Martin Schebesta einstudiert wurde.

Jesús López-Cobos am Pult lässt die Musiker des Orchesters der Wiener Staatsoper frisch und rasant musizieren. Manchmal hätte man sich jedoch noch kräftigere Impulse und ein Mehr an raffiniertem Esprit gewünscht.

Dem Publikum hat es alles in allem ziemlich gut gefallen. Es wird immer wieder viel gelacht und auch geklatscht in einer sympathischen, kurzweiligen, teils überbordenden Inszenierung ohne besonderen Tiefgang.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Michael Pöhn