Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

LES CONTES D'HOFFMANN
(Jacques Offenbach)
26. Mai 2014
(Premiere am 20. Dezember 1993)

Wiener Staatsoper


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Fantasievolle, üppige Kuriositätenschau

Es war am 20. Dezember 1993, da bescherte die Premiere von Les Contes d’Hoffmann von Jacques Offenbach der Wiener Staatsoper einen Riesenerfolg . Placido Domingo sang die Hauptrolle, Natalie Dessay war Olympia, Barbara Frittoli war Antonia, Bryn Terfel verkörperte die Bösewichter. Aber nicht nur das exzellente Sängerensemble ließ die Neuproduktion zum Ereignis werden, sondern auch die fantasievolle, detailreiche Ausstattung von Richard Hudson und die intelligente Inszenierung von Andrei Serban. Diese Produktion wurde mit großem Erfolg, von Publikum und Kritik geliebt und gelobt, im Haus am Ring bis 2008 gezeigt.

Jetzt entschloss sich die Direktion zu einer Wiederaufnahme, wobei der rumänische Regisseur gewonnen werden konnte, diese selbst neu einzustudieren beziehungsweise aufzufrischen. Und siehe da, die Verjüngungskur hat ihr wohlgetan, die Klasse von damals, der fantastische Ideenreichtum und die Lebendigkeit können auch heute noch punkten.

Üppig, opulent, bildmächtig, gespenstisch, fantasievoll bevölkern Retro-Spukwelten in tollen, fantasiereichen Kostümen die Bühne: Damals vor rund 20 Jahren wurde nicht gekleckert, sondern geklotzt, und man musste nicht ständig angstvoll auf das Theaterbudget schielen. In einem, sich mit eilig verengender Perspektive gestalteten Einheitsraum, der vollständig mit Pergament und Tintenklecksen des Dichters verkleidet ist, erlebt man im Olympia-Akt unheimliche Vitrinen mit einem Totengerippe, riesigen aus den Wänden oder anderen Geräten herausquellenden Augen und allerlei Wundermaschinen. Oder ein bis auf den Fluchtpunkt sich erstreckendes, zugespitztes Klavier in dunkler, gespenstischer Umgebung. Oder angedeutete Sofa-Gondeln im Giulietta-Akt. Mit magischem Licht, Pyrotechnik und Feuereffekten angereichert, gelingt Serban darin eine vitale, detailverliebte, stimmige Inszenierung.

Genauso wie der Titelheld vom Pech verfolgt ist, scheint auch die Wiener Staatsoper mit der Besetzung ihres Hoffmanns kein Glück zu haben. Denn der ursprünglich für die Wiederaufnahme dieser Produktion vorgesehene und schon lang engagierte Piotr Beczala erklärte kurzfristig, dass er die Rolle zurückgelegt habe und nicht mehr singen werde. Dann sollte Neil Shicoff, der ab 1994 in dieser Partie schon in Wien Maßstäbe gesetzt hat, wieder der glücklose Dichter sein. Doch er wurde plötzlich krank, weswegen nun der jüngere koreanische Tenor Yosep Kang zum Zug kam. Und dieser nutzt die Gunst der Stunde: Er begeistert mit einer jungen, unverbrauchten Stimme, bei der man sich als Zuhörer keine Sekunde Sorgen machen muss. Seine Spitzentöne schleudert er nur so, völlig ungefährdet, ins Publikum. Vielleicht fehlt ihm noch das letzte Raffinement für diese Rolle. Darstellerisch sollte er an der Partie noch arbeiten, an den stets expressiv gestaltenden, amerikanischen Tenor kommt er noch nicht heran.

Das Hauptaugenmerk ist an diesem Abend jedoch auf Ildar Abdrazakov gerichtet. Er ist ein bühnenpräsenter Bösewicht mit dunklem, kraftstrotzenden Organ, markig und zynisch, etwas rau in der Tiefe, dem es jedoch an Dämonie und öliger Eleganz mangelt. Stephanie Houtzeel als Muse und Niklausse verfügt über einen hübschen Mezzo, der aber recht klein ist. Es fehlt ihr auch an Überzeugungskraft und Präsenz. Daniela Fally ist eine entzückende Olympia, bei der die noch zusätzlich verzierten Koloraturen ganz natürlich und sauberst nur so herausperlen. Sie verzaubert das Publikum auch durch ihr köstliches puppenhaftes Spiel. Marina Rebeka als bildhübsche Antonia begeistert mit ihrem sinnlichen Sopran, hat aber einige Schärfen in der Höhe. Nadia Krasteva ist eine recht derbe Kurtisane Giulietta, es fehlt ihr an Eleganz. Von den vielen kleineren, Partien ist vor allem Thomas Ebenstein als Frantz, Chochenille und Pitichinaccio besonders hervorzuheben, der mit seiner großen Szene als Frantz das Publikum zum Lachen bringt. Die anderen Stimmen fallen mehrheitlich ab. Der auch bewegungsmäßig stark geforderte Chor, die Einstudierung besorgte Thomas Lang, neigt mitunter zum Schleppen, singt aber klangschön.

Zu phlegmatisch ist das Dirigat von Marko Letonja, der beim gut disponierten Orchester der Wiener Staatsoper ein Mehr an Akzenten und Feinheiten herausholen könnte. Es mangelt an Detailzeichnung, auch ist er wiederkehrend damit beschäftigt, den Chor wieder einzufangen.

Großer Jubel vom Publikum, das sich sehr begeistert zeigt, für alle Beteiligten im vollen Haus.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Michael Pöhn