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Fakten zur Aufführung 

CHARODEYKA - DIE ZAUBERIN
(Pjotr Iljitsch Tschaikowsky)
14. September 2014
(Premiere am 12. September 2014)

Theater an der Wien


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Wiederbelebung eines musikalischen Schatzes

Zum Schluss wird es dann doch etwas zu viel: Die Fürstin vergiftet die vermeintliche Nebenbuhlerin ihres Mannes, die eigentlich die Geliebte ihres Sohnes ist. Der Fürst ersticht seinen rivalisierenden Sohn aus rasender Eifersucht, weil auch er die Titelheldin liebt und wird dann gleich wahnsinnig: So endet Pjotr Iljitsch Tschaikowskys 1887 in St. Petersburg uraufgeführte Oper Charodeyka – Die Zauberin, die der Komponist selbst als seine beste Oper bezeichnet hat und die er unmittelbar vor der erfolgreichen Pique Dame komponiert hat. Er sollte jedoch mit seiner Befürchtung, das Werk würde wohl bald ins Archiv wandern, recht behalten. Denn das Musikdrama ist eigentlich völlig von der Bühne verschwunden. Über die Gründe kann man nur rätseln. An der Musik dürfte es nicht liegen, denn man hört besten Tschaikowsky: Packende Dramatik, eindrucksvolle Arien von großer Schönheit und Innigkeit. Vielleicht liegt es eher an der Geschichte: Da geht es um die junge Witwe Nastasja, genannt Kuma, die ein Lokal für Freigeister betreibt und den Ruf hat, eine Zauberin zu sein. Bei einer Razzia, bei der man das den Machthabern verdächtige Lokal eigentlich schließen wollte, verliebt sich der Fürst in sie. Sie ist aber in seinen Sohn verliebt, und das Unglück nimmt seinen Lauf. Seinerzeit mag wahrscheinlich der Versuch, eine russische Femme fatale auf die Bühne zu bringen und offen Kritik an der Kirchenmoral zu üben, für einen Erfolg nicht dienlich gewesen zu sein.

Dem Theater an der Wien ist es einmal mehr gelungen, das heute doch etwas verkrustete gängige Opernrepertoire aufzubrechen, einen raren Schatz zu heben und dieser Oper zur höchst erfolgreichen österreichischen Erstaufführung zu verhelfen. Dazu trägt sicher auch Christof Loy bei, der am Haus schon fünf sehenswerte Produktionen fabriziert hat. Er verlegt die Geschichte aus dem 15. Jahrhundert, die auf einem Erfolgsdrama von Ippolit Schpaschinski basiert, in die Gegenwart. In einem kargen Holzraum mit nur einem Tisch, einem Stuhl und Projektionen im Hintergrund, welche von Christian Schmidt erdacht wurden, erzählt er einen klugen, psychologisch packenden und ständig gefangen nehmenden Psychothriller. Er konzentriert sich bei seiner ausgefeilten Personenführung auf die Hauptpersonen. Neben dem Familiendrama und der Rache des gedemütigten Staatsdieners Mamyrow zeigt er die Titelheldin als selbstbewusste, mit beiden Beinen im Leben stehende, fesche Wirtin, deren Traum von der großen Freiheit und Unabhängigkeit eine Utopie bleiben muss.

Diese wird von der jungen, litauischen Sopranistin Asmik Grigorian jugendlich, dramatisch mit einer idealen Mixtur aus selbstbewusster Sinnlichkeit und zarter Mädchenhaftigkeit präsentiert. Ihr geliebter Prinz Juri wird von Maxim Aksenov mit viel strahlendem Schmelz, aber auch dramatischer Attacke gesungen. Mit böser Schärfe erlebt man seine Mutter, die Agnes Zwierko verkörpert. Vladislav Sulimsky hört man als ihren Mann und Fürsten mit herrischem Bariton und leidenschaftlichem Feuer. Vladimir Ognovenko verleiht dem intrigierenden Beamten Mamyrow kraftvolle und schwarze Bassestiefe. Martin Winkler kann mit fassettenreicher Charakterisierungskunst als Zauberer Kudma, Andreas Conrad als schäbiger Vagabund glänzen.

Mikhail Tatarnikov schöpft beim ORF-Symphonieorchester Wien spannungsvoll aus dem Vollen. Er kostet aber auch die Kontraste zwischen Folklore und hochdramatischer Gewittermusik aus und lässt immer wieder Raffinesse funkeln.

Zum Finale erlebt man Ovationen eines begeisterten Publikums, dem keine Sekunde langweilig war.

Helmut Christian Mayer



Fotos: Monika Rittershaus