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Fakten zur Aufführung 

ANNA BOLENA
(Gaetano Donizetti)
10. April 2015
(Premiere am 2. April 2011)

Wiener Staatsoper


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Eine Klasse für sich

Bei herrlichem Sonnenschein und frühlingshaft milden Temperaturen staut sich der aufgeregte Ansturm der neugierigen und kulturhungrigen Opernliebhaber vor der ehrwürdigen Wiener Staatsoper. Opernstar und Primadonna Anna Netrebko tritt wieder auf, eine Garantie für volle Häuser und viel Aufmerksamkeit in der Szene. Aber diesmal verkaufen marktschreierisch die Schwarzmarkthändler Ihre teuren Parkett- und Logenplätze und reißen sich zu Rabattschlachten hin, eine neue Erfahrung und hoffentlich kein Trendbeweis für die mangelnde Anziehungskraft von Oper und Klassik allgemein. Seit Monaten war diese Aufführung offiziell im Internet und an den Theaterkassen ausverkauft und viele Fans versuchten, sich über übliche Kontakte, Kartenbüros und Hotelportiers ihre Karten zu sichern.
 
Einmal im Hause angekommen, wird man von der knisternden Spannung eingefangen. In Wortfetzen hört man die letzten Neuigkeiten aus den Leben der angebetenen Opernstars, die letzten unvergesslichen Erlebnisse mit denselben, sowie geplante Projekte, die man als Opernliebhaber und Kenner nicht verpassen darf. Hier kehrt die heile Welt des Theater zurück. Mit Bedacht nimmt das mit Prominenz aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft gespickte Publikum Platz.

Anna Bolena ist bereits die 25. Oper im Schaffenswerk des italienischen Komponisten, aber erst dieser Oper war ein nachhaltiger Erfolg nach der Uraufführung am 26. Dezember 1830 beschieden. Sie bildet die entscheidende Wende im Leben und Schaffen von Gaetano Donizetti.

Die historisierte Inszenierung von Eric Genovese aus dem Jahr 2011 ist schlicht und einfach. Das Bühnenbild von Jacques Gabel und Claire Sternberg besteht nur aus zwei, im spitzen Winkel aufgestellten, dunkel gehaltenen Wänden, die immer wieder gedreht werden. Etwas Farbe und Leben kommt durch die edlen Kostüme der Höflinge und Hofdamen auf, die von Luisa Spinatelli entworfen wurden. So konzentriert sich alles auf die Musik und den Gesang an diesem Abend.

Andriy Yurkevich hat die musikalische Leitung dieser Wiederaufnahme mit erlesener Starbesetzung übernommen. Selbstbewusst akkurat startet er mit den aufmerksam aufspielenden Wiener Philharmonikern in die Ouvertüre. Über den Abend hin gewinnt seine musikalische Interpretation an Farbe und den für den Belcanto wichtigen harmonischen Fluss des Musizierens. Yurkevich legt großes Augenmerk auf die Sänger und folgt gewissenhaft deren musikalischer Interpretation, allen voran dem Star des Abends, Anna Netrebko. Mit königlicher Eleganz und Würde, mit der Sanftmut und Liebe einer Mutter, der Kampfeslust und ritterlichen Grazie einer geprellten Ehefrau und der Gottesfürchtigkeit einer zum Tode Verurteilten füllt sie ihre Rolle und zieht alle Register ihres stimmlichen Könnens und natürlichen Potenzials. Brillant der silberne Glanz ihrer treffsicheren Höhe, die fein ausgefeilten Glissandi und weichen Crescendi. Anders die Wirkung Ihrer Nebenbuhlerin Ekaterina Semenchuk als Giovanna Seymour. Ihre Stimme verfügt über Kraft, Höhe und Klarheit, aber ab und an ist davon zu viel im Einsatz, so dass es überzogen dramatisch und plump wirkt. Luca Pisaroni mimt den frauenverschleißenden, brutalen König Heinrich VIII. Seine italienische Eleganz und huldvolle Gestik im Gesang und Spiel lässt die Brutalität des berechnenden Herrschers vermissen. Celso Albelo gelingt ein lyrischer, stimmlich eindrucksvoller Lord Percy, harmonisch und selbstbewusst im Duett mit Netrebko. Magarita Gritskova gibt dem Pagen Smeton wenig Leben und eine blasse Stimme. Im großen Finale spielt die Primadonna ergreifend ihre Klasse für sich aus und bezaubert ihre zahlreichen Fans.

Die so berauschten Klassikliebhaber spenden langanhaltenden Applaus und standing ovations für alle Beteiligten und verlassen berührt das Opernhaus mit einem unvergesslichen Abend mehr im Gedächtnis und viel Gesprächsstoff.

Helmut Pitsch

 

Fotos: Michael Pöhn