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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
8. November 2014
(Premiere am 31. Oktober 2014)

Nationaltheater Weimar

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Liebe ganz in Frauenhand

Das Richard-Strauss-Jubiläumsjahr neigt sich dem Ende zu. So erscheint es angebracht, dass aus diesem Anlass das Deutsche Nationaltheater Weimar mit einer ambitionierten Inszenierung seiner Oper Der Rosenkavalier aufwartet; die Idee dazu hatte der Librettist Hugo von Hofmannsthal immerhin in Weimar. Die Komödie für Musik aus dem Jahr 1911 lebt von ihrer melancholischen Stimmung, aber auch von der unterschwelligen Ironie, kritisiert aber letztlich eine durch Regeln, Rituale und Standesschranken organisierte Ständegesellschaft in einer allerdings fiktiven Vergangenheit. Wer meint, das sei überwunden, irrt. Denn Der Rosenkavalier bietet genügend Ansatzpunkte für Parallelen zu heutigen Verhaltensmustern in bestimmten Kreisen. In der Oper kommt der Mitgift- und Schürzenjäger Ochs ungeschoren davon – es ist ja nix passiert. Und wenn am Ende Octavian und Sophie im Liebestaumel zusammenfinden, heißt das nicht, dass sie auf ewig zusammenbleiben, selbst wenn sie im Schlussbild bieder-häuslich zusammen frühstücken. Denn ins Schluss-Terzett mischt sich auch die Stimme der in Liebesdingen erfahrenen Marschallin ein und relativiert so ihren Optimismus. Denn die Zeit, das „sonderbar Ding“, wird auch hier einwirken. So breitet sich am Schluss eine wohlig süße, melancholische Resignation über das Ganze aus, in der Einsicht, dass der Verzicht auf das Liebste diese Liebe nicht beschädigt.

Die Regie von Vera Nemirova, bemerkenswert in Übereinstimmung bei den Bewegungen mit der Musik, berücksichtigt viele dieser Gesichtspunkte, auch die ständig eingesetzte Drehbühne unterstützt das Konzept. Bühnenbild und Kostüme von Tom Musch scheinen jedoch nicht immer stringent, ebenso wenig wie die räumliche und zeitliche Festlegung. Gleich zu Beginn zeigt sich der Schauplatz als eine Art Rundbau von außen; darum herum stehen die Bittsteller, Bedienstete und Besucher der Marschallin, eine bunte Gesellschaft von Voyeuren und Schmarotzern, und versuchen, durch die Fenster zu schauen. Als sich der Raum öffnet, sieht man, wie sich die Marschallin und ihr junger Liebhaber Octavian erotisch-sexuell auf dem Sofa und auf dem Boden im zerwühlten Bettzeug vergnügen. Später, als alle Leute der Fürstin ihre Aufwartung machen, äußerlich einem unbestimmten Heute angehörend, verschwimmt eine zeitliche Festlegung; das Ganze findet nicht in einem fiktiven Wiener Rokoko statt, vielmehr zwischen künstlicher Vergangenheit und Gegenwart, sichtbar auch an der Tatsache, dass die Frau Feldmarschall einmal im weißen Hosenanzug, einmal im schwarzen Abendkleid erscheint, Octavian aber später in der korrekten Uniform eines K.u.k.-Offiziers oder im festlichen, weiß-silbernen Rock auftritt. In der wenig überzeugenden Verkleidung als Kammerzofe Mariandl muss er allerdings einen seltsamen Kopfschmuck tragen, einen Strapsgürtel. Ob er so den Sexprotz Ochs bezirzen kann, erscheint doch zweifelhaft. Auch anderes, etwa die schwarze Maske des „Mohren“ oder der Trenchcoat des Kommissars, deutet darauf hin, dass hier keine Wirklichkeit abgebildet wird, vielmehr ein Spiel mit symbolischen Bezügen stattfindet, sich ein Gefühlskarussell dreht. Am Schluss bleiben nur drei Personen zurück, die beiden Verliebten, der kecke Octavian, eine androgyne Gestalt, eine Hosenrolle, zwischen den Geschlechtern wechselnd, das naive, aber selbstbewusste Mädchen Sophie und die reife Frau Marschallin, die zugunsten der Liebe auf die Liebe verzichtet. Der Inbegriff des Männlichen, der Baron Ochs, Macho, sexbesessen und grob, verlässt da die Szene unter Getöse mit „Leopold, mir gengan!“ So triumphiert das Weibliche, auch wenn die Männer sich noch so stark gebärden. Nicht nur hiermit werden Brüche aufgedeckt. Auch die Verzauberung, die eigentlich, zumindest musikalisch, im wunderbaren Schlussterzett geschieht, stellt sich szenisch nicht ein, da der Raum die drei Personen durch die Weite der Bühne trennt. Spürbarer bleiben in der Inszenierung eher die ironischen Elemente, etwa bei der im Chaos mündenden verunglückten Hochzeitsfeier mit dem schrägen Walzer. Öfter auch müssen die handelnden Personen, während die Musik sich schwelgerisch ausbreitet, deutlich Zeit überbrücken. Wenig beängstigend wirkt auch der läppische Mummenschanz in dem nur unvollständig angedeuteten Gasthaus, den das Intrigantenpaar Valzacchi und Annina anzetteln; dass sich dadurch der Ochs vom Objekt seiner Begierde, dem vermeintlichen Mariandl, vertreiben lässt, ist eher unwahrscheinlich. Mehr Eindruck hinterlassen haben dürfte da der Demonstrationszug seiner angeblichen Kinder mit ihren Papp-Schildern.

Während solche Äußerlichkeiten manchmal leicht stören, nötigt die Staatskapelle Weimar unter Stefan Solyom mit ihrem suggestiven Klangzauber höchsten Respekt ab dank der variablen Färbungen, dem melodischen Schmelz, den „schrägen“ Schleifern und der runden Tongebung, vor allem aber der Präzision der Ausführung. Darauf können sich die Sängerinnen und Sänger verlassen.

Larissa Krokhina gestaltet mit ihrem kräftigen, dramatisch akzentuierten Sopran die Gefühle der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg ausdrucksvoll, vor allem gelungen in ihrem melancholisch gefärbten, irgendwie tröstlichen Monolog über die Zeit; leider aber kann sie das äußerlich nicht so recht herüberbringen. Ein Volltreffer ist Dirk Aleschus als Baron Ochs von Lerchenau, ein Hüne von Gestalt, umwerfend komisch in Bewegung und Auftreten; sein großer Bass passt hervorragend zu diesem ungeschlachten, bankrotten Adeligen vom Land, der bei der Suche nach einer reichen Braut leider Pech hat. In der Hosenrolle des Octavian begeistert Julia Rutigliano nicht nur durch ihre Spielfreude, wobei ihr Auftreten als kokett naives, scheinbar ungeschicktes Mariandl besonders gelungen ist; auch stimmlich überzeugt sie vollends mit ihrem hell gefärbten, dramatisch unterlegten, sicher geführten, kräftigen Mezzosopran durch einfühlsame Gestaltung, und zum Lachen reizend als Dienstmagd mit der Karikatur einer flachen Krähenstimme. Uwe Schenker-Primus ist mit seinem fülligen Bassbariton und seiner „gestandenen“ Figur ein herrlicher Herr von Faninal, Neu-Kapitalist und auf gesellschaftlichen Aufstieg fixiert; leider vermasselt die aufmüpfige Tochter Sophie dem stolzen Vater die avisierte Heirat. Diese etwas zickige, steife Sophie, bebrillt und mit Zopf, kann Steffi Lehmann gut verkörpern, und sie imponiert mit den himmlischen Höhen ihres hellen Soprans, dem allerdings Farben in Mitte und Tiefe abgehen. Von ihrer Herzenswahl, dem flotten Octavian, kann sie die Jungfer Marianne Leitmetzerin, Susann Günther, nicht abbringen, stimmlich wie darstellerisch sehr überzeugend. Dagegen stört bei Jörn Eichler als Intrigant Valzacchi nicht so sehr die Festlegung seiner Figur auf einen Journalisten, vielmehr die Schärfe seiner Stimme. Annina, Sayaka Shigeshima, gefällt mit ihrem tiefen Alt und dem wendigen Auftreten. In den kleineren Rollen der Haushofmeister und des Wirts bewähren sich Jens Schmiedke, Günter Moderegger und Alexander Günther, während man sich für Chang-Hoon Lee als Kommissar und Notar doch eine ausdrucksvollere Stimme gewünscht hätte. Leider erweist sich Artjom Korotkov als Sänger allzu gehemmt, allzu konzentriert auf seine Höhen. Opernchor und Kinderchor der „Ameisenkinder“, einstudiert von Tobias Kruse, sind mit viel Einsatz bei der Sache.

Das Publikum im nahezu voll besetzten Haus feiert nach dieser B-Premiere lautstark und lange alle Mitwirkenden.

Renate Freyeisen







Fotos: Vincent Leifer