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Fakten zur Aufführung 

DER ROSENKAVALIER
(Richard Strauss)
5. April 2015
(Premiere am 31. Oktober 2014)

Nationaltheater Weimar

Points of Honor                      

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Komödie für Musik

Einem älteren Herrn aus München hat es so gar nicht gefallen. In der Pause verlässt er unter lauten Beschwerden das Nationaltheater. „Geschmacklos“ sei die Inszenierung. Nun, in seiner Heimatstadt wird seit 1972 Schenks Rokoko-Traum gegeben. Da war die Umstellung auf die Weimarer Variante vielleicht etwas zu extrem. Doch diese Aufregung hat diese zeitlose und vor allem optische ansprechende Inszenierung nicht verdient.

Vera Nemirova setzt auf Blicke und Intimität. Während des Vorspiels werfen wir zunächst einen Blick in das bekanntlich immer volle Antichambre der Marschallin. Die Bittsteller lugen ins verdeckte Schlafgemach und bereiten ihre Aufwartung vor. Erst mit Einsatz des Duetts drehen wir uns dem ungleichen Paar zu. Die Regisseurin hat einen Sinn für sinnliche Erotik und Intimität. Anzüglich wälzen sich Quinqin und seine Bichette. Beim Frühstück wird herumgealbert, das übliche Versteckspiel, und Mariandl taucht als sehr kalauernde Travestie auf. Nemirova ist bemüht, die lachenden Momente dieser großen traurigen Geschichte nicht aus dem Auge zu verlieren. Dabei gleitet sie öfters in platte Komik ab. Besser gelingen ihr die ernsten Momente. Octavian steht an der Rampe. Sein Herz wird sichtbar von Marie Theres gebrochen, schickt sie ihn fort ob der Zeit und seiner Jugend. Diese Marschallin treibt ihren Buben wahrhaft in Sophies Hände. Warum dort die Jungfer dem Herrn von Faninal per Hand behilflich sein muss, entschließt sich nicht. Ochsens Meute outriert sich in Lederhosen durch die Szene. Auch die obligatorischen Live-Hunde hätte man sich sparen können. So poltert der Klamauk, während die Dramatik schlichter und ehrlicher erscheint. Breit und geschickt ausinszeniert werden die Intriganten Valzacchi und Annina als spionierende Paparazzi. Gute Ideen wie das Vorspiel zum dritten Akt, in dem die Verschwörer ihr Geisterspiel für den Ochs proben, wechseln sich mit fragwürdigen Regieeinfällen ab. Das Ende inszeniert Nemirova bewusst gegen die Musik und wirft einen Blick in Octavians und Sophies Zukunft als fernsehendes Greisenpärchen mit Papa und Bichette gerahmt an der Wand. Auch der nicht gelungene Schlussgag mit sich abschminkendem Mohren bleibt in der Luft hängen. Vieles wie den lediglich malenden und betroffen dreinblickenden Kammerdiener hätte man sich sparen können. Personenführung und Ausstattung sprechen ohnehin für sich.

Tom Muschs ästhetische Bühnenkonstruktion bildet zwei Drehelemente mit wechselnden Hintergründen. Hier drehen sich Bühne und Darsteller wie die verstreichende Zeit. Er kleidet sein Personal in sanft entzeitlichte und hübsche Garderobe zwischen angedeuteter Uniform und Salonschick. Zu Sophies Hochzeit hängen dann die Schweinehälften in den Wandnischen, um auch dem letzten das Geschacher um die Jungfer zu verdeutlichen.

Deutlich auch die Darstellung. Gast Michael Eder gibt einen routinierten und spielfreudigen Ochs. Zwar ist sein Bass einfarbig, doch konstant und sein Spiel in bester Tradition des Verladenen – samt geklebter Glatze und Mädchenchor. Auf den Putz hauen darf Jaesig Lee, der mit seinem Sänger satt und erfreulich einschenkt und seinen Tenor für den pointierten Auftritt vielfarbig nutzt. Eindeutig zu schrill und zu laut setzt Elisabeth Wimmer als Sophie ein. Später findet sie ihre Sophie trotz spielerischer Überzogenheit, könnte aber gerade im Duett noch mehr zum Teamplayer werden. Mit klarem, weichem und nuancierterem Sopran überzeugt Julia Rutigliano als spielerlisch gestandener Octavian. Auch stimmlich glaubt man ihr den siebzehnjährigen Romantiker, der hier sehr schön als postpubertärer Revoluzzer gegeben wird. Stark und ausdrucksstark in der Höhe gibt Johanni van Oostrum die Marschallin als grande dame. Im tieferen Register problematisch, gelingt ihrem Organ dennoch die anspruchsvolle Partie als noch nicht zu schwerer Sopran, der die Rolle oftmals erschlägt. Die Diktion der Südafrikanerin ist zudem fabelhaft, die Stimme wohl in Verfassung. Auf ihre Berliner Micaela darf man sich freuen.

Gut aufgelegt ist auch die Weimarer Staatskapelle unter Stefan Solyom. Im Vorspiel zwar noch mit wackeligem Wiegeschritt, kommt der Dreivierteltakt schnell in Gang. Die Blechbläser tanzen und der volle Klang der Kapelle kann sich gerade bei Strauss schön und präzise entwickeln. Solyom hat sein Orchester im Griff und arbeitet geschickt gerade an den kleinen sanften Momenten etwa des Schlussterzetts. Seine Sänger könnte er teils mehr an die Kandare nehmen.

So beglücken Musik und Regie das Gros des lach- und applausfreudigen Publikums, das in Osterstimmung seinen Rosenkavalier feiert, während ein einzelner Herr den Münchner Rokoko ersehnt.

Andreas M. Bräu

 







Fotos: Vincent Leifer