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Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
23. Mai 2015
(Premiere)

Teatro Olimpico Vicenza

Points of Honor                      

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Festwochen im olympischen Theater

Weltberühmt, versteckt in einer unscheinbaren Gebäudehülle ist das Teatro Olimpico in Vicenza. Es ist das erste und somit älteste freistehende autonome Theater der Neuzeit. 1580 wurde im Auftrag der Olympischen Akademie der Bau unter der Leitung des nicht minder berühmten Architekten Andrea Palladio in Form eines griechischen Theaters begonnen. Nach dem Tod des Architekten im selben Jahr übernahm Vicenzo Scamozzi die Arbeiten und vollendet 1585 den Bau mit Orchestra (Bühne), halbrundem Zuschauerraum (Cavea) und dem Bühnenhaus (Skene) in Form einer monumentalen klassizistischen Palastfront. Seit nunmehr über 430 Jahren finden in dem einmaligen magisch bezaubernden Weltkulturerbe Aufführungen aller Genres und Musikrichtungen statt. Seit 24 Jahren ist es auch die Heimat der Settimane Musicali, dem kleinen, aber feinen Musikfestival der Stadt Vicenza. 

Der künstlerische Leiter Giovanni Battista Rigon arbeitet intensiv mit einem jungen motivierten und talentierten Team an einem abwechslungsreichen, sich immer weiter ausdehnendem Programm aus Oper und Kammermusik mit begleitenden didaktischen Veranstaltungen. Die diesjährige Opernpremiere ist einer Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts Drama giocoso Don Giovanni gewidmet. „Spielerisch“ ist auch die Auffassung von Lorenzo Ragazzo, dem Regisseur des Abends. Selbst ein international bekannter Bass-Bariton, schafft er in den Charakteren von Don Giovanni und Leporello eine sehr klare und überlegte, schlüssige Prägung. Leporello mutiert zum Strippenzieher und Unruhestifter als distinguierter, älterer, bestechlicher Diener, Erzieher und Kumpan des Titelhelden, der diesen oft genug zu seinen Schandtaten aufstachelt. Don Giovanni ist der junge, verwöhnte Sohn aus reichem Hause voller Abenteuerlust mit übersteigertem, unsicherem Ego. Bewusst komisch gewählt seine Verkleidungen, einmal als römischer Feldherr mit blechernem Brustpanzer, die Posen der ihn im Theater umgebenden alten Statuen imitierend, oder als cooler Superman mit wallendem Umhang. So entsteht ein spritzig-witziger Handlungsablauf mit viel Bewegung in der ausgeklügelten Personenregie. Maria Elena Cotti steckt das junge Sängerensemble in geschmackvolle, ansprechend lässige Freizeitkleidung und gestaltet die unter Denkmalschutz stehende Bühne mit wenigen Mitteln, die Handlungsorte andeutend. Passend und sehr präsent das Heim Don Giovannis mit einem bequemen, drehbaren roten Ledersessel wie ein Thron vor einem Flatscreen auf Rosenteppich als Bodenbelag des erhöhten Podestes.

Luca Dall'amico, in Vicenza geboren, mimt den Titelhelden. Mit glattrasiertem Kopf und durchtrainiertem Körper wirkt er beispielhaft für die wohlsituierte, coole, moderne Jugend, die sich mit allmöglichen Spielen bis hin zu einer Spur Kokain die Langeweile vertreibt. Seiner Stimme mag warmer Schmelz und Fülle fehlen, aber für den jungen Draufgänger passt es. Giovanni Furlanetto gestaltet Leporello elegant, distanziert kühl, immer Herr der Gefühle und Sache. Ein überraschender Regieeinfall erscheint am Ende auch die Ermordung Don Giovannis durch Leporello im Auftrag von Donna Anna, der zu Beginn der Oper erteilt wird. Anna Viola übernimmt diese Rolle mit zu wenig Ausdruck und Flexibilität in der Stimme. Wirkungsvoll und spielerisch sehr expressiv ist dagegen Arianna Venditelli. Ihre Stimmkraft füllt das Haus bis in die letzte Ritze, und auch der Radius ihres Auftritts reicht bis in die Zuschauerränge. Mit Matteo Macchioni als Don Ottavio lässt ein junger Tenor mit einer feinen, klaren und umfangreichen Stimme aufhorchen. Zum Glück hat man sich für die Wiener Fassung der Oper entschieden, so kommen die Zuhörer auch in den Genuss seiner berühmten Arie Dalla sua pace. Aufschlussreich ist auch die Besetzung von Commendatore und Masetto mit Abramo Rosalen, eine Praxis, die auch zur Uraufführung angewendet wurde und die beiden Charaktere so in ein nahes Verhältnis zueinander rückt. Anmutig und klangschön auch die Stimme von Minni Diodati als Zerlina.

Viel Gestaltungskraft leistet Giovanni Battista Rigon im Orchestergraben. Seine Wahl der Tempi ist flott, aber nie gehetzt, er verzichtet auf Verzierungen, emotionale Reizung oder opulente Schnörkel. Frech, frisch und leicht mischt sich das Orchester mit dem Gesang, und die trockene, klare Akustik des Hauses liefert eine transparente Hülle. Viel Applaus und Anerkennung für diesen sehr unterhaltsamen Abend beschließt die gelungene Premiere und motiviert das künstlerische Team für die Fortsetzung des Da-Ponte-Zyklus mit Le Nozze di Figaro im nächsten Jahr. 

Helmut Pitsch



Fotos: Settimane musicali