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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
19. Juni 2015
(Premiere)

Arena di Verona


Points of Honor                      

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Tradition ist stärker als Innovation

Überall stehen Menschen in historisierten Gewändern und Soldaten in bunten Uniformen mit Schwertern oder Lanzen wie auch Fackeln bis auf die höchsten Steinstufen hinauf. Alles wartet gebannt auf die Hinrichtung: Gerade als der Henker sein großes Beil hebt, um die vor ihm liegende Fenena zu köpfen und Nabucco mit gezücktem Schwert dazwischenfährt und das verhindert, kracht der mächtige Palast, der dem Turm zu Babel nachempfunden ist, mit Getöse, Blitz und Rauch teilweise auseinander. Gerade eine derartige Bildmacht ist es noch, die beeindruckt, denn ansonsten ist bei den diesjährigen 93. Festspielen in der Arena wieder nur Konventionelles und Erzkonservatives angesagt.

Aber wenn einer nach Verona fährt, dann kann er ohnedies nicht mit innovativem Musiktheater rechnen. Die diesbezüglichen, eher zaghaften Versuche in der jüngsten Vergangenheit, wie etwa mit Verdis Aida, einem Technikspektakel von Fura dels Baus im Jahre 2013, wurden von der Kritik teilweise und vor allem aber vom Publikum überwiegend nicht goutiert und provozierten nachträglich viel Widerspruch. In der Arena will das italienische, aber auch das internationale Publikum eben überwiegend ein konservatives, traditionelles Spektakel sehen und keine Experimente erleben müssen.
 
Deshalb ist der Impuls, die diesjährige Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis Nabucco in der Szene von Rinaldo Olivieri aus dem Jahre 1991 dem Regie-Altmeister Gianfranco de Bosio anzuvertrauen, in diesem Sinne eine absolut sichere Bank: Althergebracht sind sowohl die ästhetischen Arrangements mit den verschiebbaren Elementen wie auch die Kostüme und die Aufmärsche, aber auch das Rampentheater, bei dem bei den Protagonisten eigentlich keine Einzelpersonenführung auszumachen ist. Absolut nichts Neues also aber eben so, wie es das Publikum im diesmal bei weitem nicht ausverkauften Areal der Arena hier eben liebt.

Gesungen wird recht ordentlich: Luca Salsi ist ein sehr präsenter Titelheld, mit einem wunderbar balsamisch weichen, für die Partie etwas zu wenig prägnantem und zu lyrischem Bariton. Er weiß auch immer zu berühren und auch glaubhaft die geistigen Verwirrungen des Königs über die Rampe zu bringen. Martina Serafin kann als Abigaille nach anfänglichen Schwierigkeiten sowohl mit Lyrismen, aber auch ungemein starker, dramatischer Attacke faszinieren. Desgleichen dominiert sie mit ungemein starker Bühnenpräsenz. Ihre Auseinandersetzung mit dem Titelhelden im dritten Akt, den sie letztlich festnehmen und abführen lässt, gehört Dank der großen Persönlichkeit der beiden zu den stärksten Momenten des Abends. Piero Pretti ist ein etwas blasser, aber schönstimmiger Ismaele, ein Tenor, dem Verdi nicht eine einzige Arie geschenkt hat. Dmitri Beloselsky ist ein edeltimbrierter Hohenpriester Zaccaria mit großer Durchschlagskraft. Nino Surguladze singt die Fenena kraftvoll – aber nicht mehr.

Riccardo Frizza hat die gewaltigen Dimensionen und die Akustik des römischen Theaters nicht immer im Griff. Sowohl im Orchester ist man nicht immer eines Sinnes, weder bei den Einsätzen noch bei den Übergängen ist man stets zusammen. Ganz besonders im ersten Akt gelingt es dem Dirigenten nicht, beim Chor Homogenität zu erzeugen. Stimmgewaltig ist der Chor, der von Salvo Sgró einstudiert wurde, aber auf jeden Fall, der auf Wunsch des Publikums den populären Gefangenenchor traditionellerweise wiederholen muss.

Zum Schluss applaudiert das Publikum heftig mit vielen bravi uneingeschränkt für alle.

Das 93. Festival in der Arena di Verona dauert heuer bis 6. September 2015. Weitere Opern dieses Sommers sind Tosca, Don Giovanni, Il barbiere di Siviglia und Romeo et Juliette. Aber es gibt auch Aufführungen von Carmina Burana und einer Carmen-Gala.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Ennevi