Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

IL CAMPIELLO
(Ermanno Wolf-Ferrari)
11. April 2015
(Premiere am 9. April 2015)

Teatro Verdi Trieste


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Liebenswerter Mikrokosmos

In einem wirren Netz enger venezianischer Gässchen bilden sich plötzlich winzige Plätze. Und es gibt ihrer viele in Venedig: Kleine bis zwergenhafte Plätze zwischen dunklen Kanälen, alten geheimnisvollen Palästen, in denen längst kein Licht mehr brennt. So ein campiello, wie die Venezianer sie mundartlich nennen, ist eine kleine Welt für sich. Alle, die dort wohnen, kennen einander, umso mehr, als sich das Leben meist im Freien abspielt. Es passiert dort eine Menge und eigentlich doch wieder nichts. Es ist das bunte, alltägliche Leben ohne großartige Ereignisse.

So ein Plätzchen ist in Carlo Goldonis gleichnamiger Komödie die Hauptperson, Ermanno Wolf-Ferrari hat sie vertont, uraufgeführt wurde die Oper 1936 in Mailand. Sie gilt heute als gelungenstes Werk unter seinen Lustspielen. In diesem humorvollen Stück gelingt es dem italienischen Komponisten, den Charme und die Heiterkeit der älteren italienischen Buffo-Opern zu neuem Leben zu erwecken. Dabei ist es ihm wunderbar gelungen, diese einzigartige Atmosphäre eines campiello einzufangen. Genauso wie es Regisseur Leo Muscato am Teatro Verdi Trieste schafft, das sich dort abspielende Leben vital, humorvoll und mit Augenzwinkern zu zeigen und die Charakteristik der Personen ideal zu treffen. Es sind verliebte, eifersüchtige, schrullige, neidische Typen, die sich lieben, aber auch viel streiten. All das erfolgt in naturalistischen Kulissen vor alten Häusern und Gässchen, die eben auf einen kleinen Platz mit einem Brunnen münden – die Szenerie stammt von Tiziano Santi – wobei jeder Akt in einer anderen Zeit angesiedelt ist, um offenbar die Zeitlosigkeit der immer gleich währenden Geschehnisse auf einem campiello anzudeuten. Der erste Akt spielt um 1750, zu einem Zeitpunkt, an dem die Oper eigentlich spielt, der zweite um 1936, zum Zeitpunkt der Uraufführung des Werkes, der letzte im Heute, jeweils mit entsprechenden Kostümen, die von Silvia Aymonino stammen, und Dekorationen und topaktuellen Ideen, wenn etwa zum Finale alle Protagonisten sich in einem „Selfie“verewigen. Und in allen Akten schleicht immer wieder Carlo Goldoni höchstpersönlich im traditionellen Gewande zwischen den Geschehnissen beobachtend herum.

Reich ist die meist gute Sängerschar, die überwiegend im venezianischen, schwer verständlichen Dialekt singt: Daniela Mazzucato, die die Partie schon über Jahrzehnte singt, ist schon eine sehr reife Gasparina mit einigen Verschleißerscheinungen. Alessandra Marianelli singt die Lucieta klar, mit einigen Brüchen in den höheren Registern. Max René Cosotti ist ihre urkomische Mutter in Frauenkleidern. Rita Cammarano wirkt als Gnese mit ihrem kleinen Sopran recht blass. Patricia Orciani ist eine sehr resolute Orsola. Alessandro Scotto di Luzio singt den Zorzeto mit einem wunderbar lyrischen Tenor. Filippo Morace hört man als Anzoleto mit kraftvollem und kernigem Bassbariton. Clemente Antonio Daliotti ist ein eleganter und schönstimmiger Cavaliere Astolfi. Nicoló Ceriani ist als Fabrizio die Ritorti beeindruckend stimmgewaltig. Der nur selten benötigte Chor des Hauses, der von Paolo Vero einstudiert wurde, singt zwar nur aus dem Orchestergraben, aber immer ohne Tadel.

Wie wohl so manche Parlando-Phrase recht ausufernd komponiert ist, und eigentlich einiges nur vom Text lebt, werden die knappen musikalischen Mittel, die einfachste Harmonik und leicht fasslichen melodischen Gedanken von  Francesco Cilluffo und dem Orchester des Teatro Verdi, das auch in den Streitszenen einen Höllenlärm zu machen versteht, ideal umgesetzt.

Am Ende ist das Publikum, dem während der Aufführung immer wieder einige Lacher auskommen, höchst zufrieden. Der Applaus ist recht stark, und es sind auch einige bravi zu vernehmen.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Fabio Parenzan