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Fakten zur Aufführung 

DER KLEINE HORRORLADEN
(Alan Menken)
20. Dezember 2014
(Premiere)

Theater Trier


Points of Honor                      

Musik

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Regie

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Die singende Saat des Bösen

Seymour hat es nicht gerade leicht im Leben. Der verwaiste Angestellte eines miserabel laufenden Blumengeschäfts in einer noch miserableren Gegend steht kurz davor, seinen Job zu verlieren: Der Laden soll geschlossen werden. Wer kauft im Pennerviertel schon Blumen, so die Frage seines Chefs und wenig herzlichen Stiefvaters. Gut, dass Seymour die Lösung des Problems in seinem Bastelstübchen stehen hat, seine Kollegin und heimlicher Schwarm Audrey ermutigt ihn dazu, seine kleine Zucht vorzuzeigen. „Audrey Zwo“, wie er das noch zarte Pflänzchen getauft hat, soll nun das neue Schmuckstück des Ladens werden. Die Idee zündet, Audrey Zwo verspricht Seymour nicht nur Geld und Ruhm, sondern auch noch Erfolg bei seiner einzig wahren Liebe Audrey Eins. Dumm nur, dass das Pflänzchen dafür die Stillung seines Hungers fordert. Seines Hungers nach Menschenfleisch.

Das Musical von Howard Ashman und Alan Menken bleibt auch in heutigen Zeiten ein Paradebeispiel dafür, was der Wunsch nach einem besseren Leben, Reichtum und Ruhm aus selbst unbedarften Gemütern machen kann. Zwar verfüttert Seymour zunächst nur brutale Schläger und herzlose Ziehväter an die fleischfressende Blume, doch am Ende landen er und seine Freundin selbst in dem Gewächs. Schließlich wird ihre böse Saat noch von skrupellosen Agenten mit Haifisch-Grinsen unerlaubterweise in die Welt getragen. Die Inszenierung von Triers Noch-Intendanten Gerhard Weber behandelt diese Themen optisch, so springt beispielsweise Jan Brunhoeber als skrupelloser Agent in Gestalt des Batman-Bösewichts Joker auf den Ladentisch. Generell wartet die Inszenierung mit optischen Trümpfen auf: Das Bühnenbild von Karel Spanhak ist stark an das filmische Original aus dem Jahre 1960 angelehnt, die Kostüme von Ulli Kremer lassen sich ebenfalls in dieser Zeit verorten. Nur Audrey und Seymour scheinen noch in der Biederkeit der 50-er Jahre festzustecken. Ein Häuschen im Grünen ist alles, was die beiden sich wünschen – im Grünen enden sie ja dann auch.

An die Inszenierung selbst ging Weber in einem ähnlichen Stil heran. Horror kann bei den biederen Figuren kaum aufkommen, selbst ein kleiner nicht. Die Frauen, auch die Schläger-Girlies aus dem Viertel trippeln in viel zu hohen Schuhen über die Bühne und machen maximal eine lange Nase oder zeigen den Mittelfinger. Der brutale Schläger-Zahnarzt-„Boyfriend“ von Audrey stirbt kichernd den Lachgas-Tod, Seymour ist mit Nickelbrille und gestreiftem Pullunder selbst für einen Hipster zu bieder. Zum Fürchten ist das nicht und wirft auch keine Fragen auf, so dass der gute Rat zum Schluss, Blut und Herz nicht wegzugeben für Ruhm und Geld, etwas verfehlt daher kommt. Es ist aber auch nicht zum Davonlaufen. Im Gegenteil, die Kostüme und das Bühnenbild sind ein farbenprächtiger Augenschmaus, die Inszenierung, als kleine Zeitreise in eine nicht ganz weit entfernte Welt der ausklingenden 50-er, Anfang 60-er Jahre macht Spaß und unterhält.

Die Hauptdarsteller, allen voran Nadine Eisenhardt und Jan Schuba, spielen mit so viel Freude und Leichtigkeit, dass man ihnen die kleinen Menschenopfer nur zu gerne nachsieht. Als Anlehnung an den griechischen Chor darf man die Frauengruppe Barbara Ullmann, Alina Wolff, Sabine Brandauer und Conny Hain betrachten, die als Mädchengang mal das raue Straßenleben verkörpern, dann wieder in langen grünen Roben zur Essenszeit für Audrey Zwo ausrufen. Tim Olrik Stöneberg schwingt als Elvis-Verschnitt auf dem Motorrad den sadistischen Zahnarzt locker aus der Hüfte. László Lukács leiht der Pflanze Audrey seinen Bass.

Die fünfköpfige Live-Band unter der musikalischen Leitung von Andreas Puhl verhilft den beliebten Songs zu einem extra schmissigen Auftreten. Nadine Eisenhardts Parts sind vom Gesanglichen her der unangefochtene Höhepunkt, ihr Somewhere that’s green bleibt zart und trotzdem kraftvoll. Dicht gefolgt von der röhrigen Stimme von Conny Hain aus dem Damenquartett.

Das Publikum zeigt sich dankbar und begeistert. Langanhaltender Applaus und standing ovations werden mit einer Zugabe belohnt.

Stefanie Braun

 

Fotos: Marco Piecuch