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Fakten zur Aufführung 

OEDIPUS IN KOLONOS
ANTIGONE

(Felix Mendelssohn Bartholdy)
1. August 2015
(Premiere am 31. Juli 2015)

Schloss Solitude, Stuttgart


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Trübungen

Endstation Sackgasse. Dahin führt die griechische Tragödie, um Existenzielles im Dasein des Menschen in dramatischer Schärfe zu thematisieren. Ein Paradebeispiel dafür bietet die Thebanische Trilogie des Sophokles. Im Zentrum steht Ödipus, sein Schicksal und das seiner Kinder, schuldlos schuldig gewordene Marionetten eingeschnappter Götter, die sie dem Unausweichlichen ausliefern. Leichte Kost ist das nicht.

Schon gar nicht für einen Sommerabend, der mehr zu einem Sommernachtstraum passt als zu Felix Mendelssohn Bartholdys Schauspielmusiken zu eben diesen Tragödien. Mit dem Sommernachtstraum hatte Frieder Bernius 2013 das Publikum im Hof des Stuttgarter Rokokoschlosses Solitude verzaubert. Jetzt wagt er es an diesem malerischen Ort mit dem äußerst selten zu hörenden Oedipus in Kolonos op.93 und der häufig aufgeführten und vielfach eingespielten Antigone op.55 und holt sich auch gleich Unterstützer mit auf das Podium, den Altphilologen Hellmut Flashar und Stuttgarts ehemaligen Schauspieldirektor und Spezialisten für die Antike Hansgünther Heyme.

Flashars Part ist an diesem Abend der der Vorbereitung. In seiner aufschlussreichen  Einführung erzählt er die Geschichte von Ödipus, die Reihung von Schicksal, Mord und Selbstjustiz aufgrund geistiger und moralischer Enge, und von Preußens kulturpolitisch liberalem König und Schöngeist Friedrich Wilhelm, der Mendelssohn Bartholdy den Auftrag erteilte, die griechische Tragödie wieder auf die Bühne zu bringen.

Antike Literatur und Kultur steht auf der Tagesordnung, als Mendelssohn-Bartholdy bei seinem Hauslehrer Karl Wilhelm Ludwig Heyse nicht nur Griechisch und Latein lernt. Entsprechend begeistert ist der frisch zum preußischen Kapellmeister benannte Mendelssohn über den Auftrag. Sophokles‘ Tragödie in der Übersetzung des Stuttgarter Gymnasialdirektors Johann Jakob Christian Donner inspiriert ihn. Bewusst beschränkt er sich bei der Komposition auf die Chorszenen der antiken Tragödie und setzt dem Stück lediglich noch eine Ouvertüre voran. Unleugbar sind die Chorklangvorstellungen seines Lehrers Carl Friedrich Zelter zu hören, aber auch Bachs Passionen, mit denen sich Mendelssohn zu dieser Zeit intensiv beschäftigte. Binnen eines Jahres ist die Antigone aufführungsreif. Zäher gelingt es mit Oedipus in Kolonos.
Ganz im Sinne der antiken Tragödie führt Bernius beide Werke konzertant auf und konzentriert den Blick auf die Dramaturgie, die dem Werk inne wohnt. Der Chor umrahmt das Orchester, dezent taucht Lichtdesigner Volker Müller die rückwärtige Rokokofassade in Farben von zartem Pastell bis weißgoldenen Glanz. Am vorderen Bühnenrand stehen die Sprecher.

Bernius ist ein Magier, wenn es um den Chorgesang geht. Das ist nicht übertrieben. Die Sänger seines Stuttgarter Kammerchors bestechen durch jugendlich helle Tenöre und satte Bässe, durch Leichtigkeit im Ansatz und vitale Homogenität. Gerne wollte man vom idealen Männerchorklang schwärmen. Entscheidend ist eine Passage in der Antigone. Im hochromantischen Lied auf Eros erklingt ein Doppelquartett fast a cappella. Wenn die Bläser kurze Einwürfe dazwischen setzen, hört auch der Ungeübte, ob die Sänger die Stimmung halten konnten. Das gelingt nicht ganz. Immerhin beweisen die Profimusiker, die sich in der Klassischen Philharmonie Stuttgart zu Projekten wie diesen zusammenschließen, sehr viel Einfühlungsvermögen.

Das hätte man sich auch von den Sprechern gewünscht. Bestenfalls verdienen sie es, als mäßige Vorleser bezeichnet zu werden. Erstes Kennzeichen einer ausgebildeten Stimme, ob nun als Sänger oder Sprecher, ist die Fähigkeit zur Variation im Ausdruck. Dem sollte eine genaue Kenntnis des Textes und noch viel mehr des Sinninhaltes vorausgehen. Nachlässigkeit mag man den Sprechern hier attestieren. Bei Hansgünther Heyme jedoch Unvermögen. Er schrieb Texte für die Sprechrollen, die er auch selbst vortrug. Umso weniger sind ihm seine Vorlesefehler, aber auch seine dauerhaft übertriebene, monotone Sprechweise zu verzeihen.

Günstig war das Wetter für eine Open-air-Veranstaltung nicht. Der leichte Regen zu Beginn hielt manchen ab, doch jene, die gekommen waren, ließen sich nicht vertreiben, fasziniert von diesem selten zu hörenden Mendelssohnschen Schauspiel. Dafür gab es am Ende Applaus. 

Christiane Franke