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Fakten zur Aufführung 

CONVEGNO CAPRICCIOSA
(Duo Gurfinkel, Berliner Camerata)
10. August 2014
(Premiere)

Bagno, Steinfurt


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Fürstliche Konzert-Events

Wer sich ein wenig auskennt, kann auf der Schlösser-Route, die quer durchs Münsterland führt, in über 100 Gräftenhöfen, Herrensitzen und Wasserschlössern deutsche Geschichte studieren, sich in urigen oder eleganten Schlossrestaurants stärken und nach einer anstrengenden Tagestour durch die norddeutsche Parklandschaft auch fürstlich übernachten. Auch wem in diesen Sommermonaten nach Theater und Konzerten der Sinn steht, findet eine große Auswahl. Längst haben Landkreise, Kulturträger und ansässige Firmen erkannt, wie gut fürstliches Ambiente und anspruchsvolle Kultur zusammen passen. Von den Schlosskonzerten im „Westfälischen Versailles“ Nordkirchen über eine lauschige Wasserburg Vischering in Lüdinghausen bis zu den heute weltlich genutzten Räumen des ehemaligen Klosters Gravenhorst locken Sommerkonzerte, Musikreihen und Festivals Besucher in das sonst eher stille Münsterland und überraschen Besucher mit ausgesuchten Programmen, ausgezeichneten internationalen Künstlern und Musik der Extraklasse.

Seit nunmehr 20 Jahren gehören die Konzerte in der Bagno-Konzertgalerie im Schlossgarten Steinfurt zu den herausragenden Kulturereignissen dieser Region. Auch das Internationale Holzbläser-Festival Summerwinds macht in diesem Jahr hier wieder Station.

Mit Alexander und Daniel Gurfinkel, Zwillingsbrüder von gerade mal 22 Jahren, treten zwei israelische Solo-Klarinettisten auf, die bereits heute international gefragt sind. Das Kammerorchester der Berliner Camerata, das die junge Geigerin Olga Pak um sich gesammelt hat, übernimmt mit 11 Streichern die Orchesterparts und sinfonischen Werke, wenn das Duo Gurfinkel einmal nicht in Solopassagen glänzt. Das umfangreiche Programm reicht von romantischen Stücken Mendelssohn-Bartholdys über Max-Bruch-Themen bis zu Streicher-Werken von Ponchielli und Paganini, die teilweise für Klarinette bearbeitet wurden.

Mit dem Konzertstück Nr. 1 f-moll setzen die Klarinette und das Bassetthorn, eine tiefer gestimmte Klarinette, furios ein. Die Gurfinkels ziehen im zweistimmigen Duo die Melodiebögen weich aus, das Orchester hält sich im Hintergrund. Im Presto-Satz ziehen sie das Tempo mächtig an und zeigen mit perlenden Läufen ihre Virtuosität. Max Bruchs Stücke für Klarinette und Klavier kommen mächtig daher, dem Duo gelingen herrlich fliegende Melodiebögen. In den Kompositionen von Ponchielli und Paganini kommen die Klarinetten noch einmal besonders zur Geltung und übernehmen häufig die ursprünglichen Streicherpartien. Das Duo überzeugt die Zuhörer davon, dass sich Pizzicati auch auf einem Blasinstrument „tupfen“ lässt – herrlich.

Gerade zu einem Schmankerl wird die Vivaldi-Bearbeitung von Andrey Reznik, in der die Klarinetten bekannte Themen aus Vivaldis Jahreszeiten aufnehmen, um sie dann leicht und spielerisch in bekannte Melodien der Rhapsody in blue, des Fiddler on the roof und zum Schluss in Summertime einmünden zu lassen – ein gelungener musikalischer Spaß. Schade, dass das Schlagzeug über einen ziemlich phantasielosen Einsatz der snare drum mit viel zu hartem Klang kaum hinaus kommt. Bei den kleinen Ausflügen in die Musik des Musical und des Jazz zeigt das Duo mit viel Spiellust, dass seine Fähigkeiten weit über das klassische Repertoire hinaus reichen. Plötzlich tauchen raue, „schmutzige“ Tonpassagen auf, zieht die Klarinette einen Schleifton durch mehrere Oktaven oder nähert sich, bewusst „unsauber“ in blue notes den „richtigen“ Tönen – das Publikum ist begeistert und geht mit. Erst nach zwei Zugaben entlässt das Publikum – ungern – seine allmählich erschöpften Musiker in die frische Luft. Die Veranstalter hatten vergessen, was die Fürsten oft praktizierten: die Flügeltüren weit zu öffnen, damit das „gemeine Volk“ mithören kann, wie herrlich Musik klingt.

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass sich dieses Zusammenkommen von architektonisch einladendem Ambiente in sommerlich-angenehmer Parklandschaft und dem Engagement meist junger, aber durchweg ausgezeichneter internationaler Künstler zu einem eigenen Format entwickelt hat, das hervorragend zum Sommer in der Weite Westfalens passt. Die durchweg ausverkauften Konzerte bestätigen: Summerwinds ist auf einem guten Wege.

Horst Dichanz

Fotos: Ralf Emmerich, Opernnetz