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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
1. August 2015
(Premiere)

Opera på Skäret

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

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Konzentration auf das Wesentliche

Die seidenen Pianissimo-Klänge des Vorspiels, hinreißend vom Schwedischen Kammerorchester vorgetragen, schaffen augenblicklich eine Atmosphäre von amore, die über die gesamte Aufführung bestehen bleibt. Bühnenbildner Sven Östberg und Regisseur Alexander Niclasson haben eine spannende, minimale Produktion entwickelt, die auf unnötige Nebenhandlungen verzichtet und alles vermeidet, was vom zentralen Drama ablenkt. Geschickt und gnadenlos wird der Konflikt vor dem Publikum ausgebreitet. Nur einmal wird die Handlung entschleunigt: Zu Beginn der Flora-Szene, die den zweiten Teil der Oper eröffnet – das Intervall zwischen den beiden Szenen des zweiten Aktes – aber andererseits ist die fröhliche Party eine willkommene Unterbrechung der tragischen Entwicklung und, besser als in den meisten Produktionen, ist der Zigeunertanz ungemein kräftig und bodenständig, weit entfernt von den Manierismen der Pariser Salons.
Was auf Anhieb überzeugt, ist der scharfe Fokus des Regisseurs auf die Gefühlswelten. Selten werden Spaß, Überraschung, Sorge, Zorn so bildhaft in Gesten, Mimik und Bewegungen angedeutet. Hier ist jede Figur dreidimensional und leibhaftig. Niclasson hat ein intimes Kammerspiel geschaffen, ganz nah an Verdis Absichten und ganz weit entfernt von schaurigen historischen Tableaus wie beispielsweise bei Il trovatore.

Darüber hinaus zeigt das Produktionsteam ein glückliches Händchen bei der Besetzung der Sängerdarsteller. Sie kommen aus neun Nationen – und die drei Hauptrollen sind für die zwölf Aufführungen doppelt besetzt. Es spricht sehr für die Regie, dass sie hier ein sehr homogenes Team zusammengestellt hat.

Die Sopranistin Ania Jeruc debütierte erst 2012, es ist bereits ihre siebte Violetta – und sie ist eine unglaublich gute Violetta. Seit 45 Jahren besuche ich die Oper, und ich habe niemals zuvor eine Violetta erlebt, die so dermaßen alle Anforderungen an die Rolle erfüllt. Sie hat die Stimme für die Koloratur-Akrobatik am Ende des ersten Akts. Sie hat die Spinto-Töne für den zweiten Akt. Und sie zeigt all die Nuancen, die sie für ihre Pianissimos braucht, ohne dass ihre Stimme verliert, wenn sie beinahe flüstert. Daneben ist sie eine bezaubernde Schauspielerin. Diese Verzweiflung in ihrem Gesicht, die ihr ganzer Körper ausdrückt, wenn sie im zweiten Akt dem Vater von Alfredo begegnet: Ich möchte wetten, dass etliche Zuschauer ihre Tränen nicht zurückhalten können, wenn sie, selbst tränenüberströmt, Dite alla giovine singt.

Neben ihr geraten die übrigen Solisten in den Hintergrund. Und unterstützen sie so auf das Beste. Bariton Pavel Yankovsky, der bereits vor zwei Jahren in Skäret sang, ist ein traditionell steifer und strenger Giorgio Germont; selbst im letzten Akt kann er nicht entspannen, aber sein Gesang bietet alles, was man sich wünscht, gekrönt von einer warmen und nuancierten Provinz-Arie. Tenor Dominick Chenes zeigt Bühnenpräsenz und spielt überzeugend, wenn er auch etwas Zeit zum Aufwärmen braucht. Im letzten Akt findet er schließlich zu seiner wahren Form. Die vielen kleineren Rollen sind bestens besetzt, insbesondere der eindrucksvoll sonore Bass von Roger Krebs als Doktor fällt auf.

Bedenkt man, dass die meisten Choristen Laien sind, singen und spielen sie extrem gut. Einen wahren Höhepunkt bietet der Chor in der Flora-Szene. Dirigent Marcello Mottadelli beweist erneut, dass er ein Vollblut-Verdianer ist. Sein letztjähriger Otello war bereits ein Triumph in jeder Hinsicht, aber diese Traviata ist ihm ebenbürtig und einer der größten Erfolge von Alexander Niclasson – bis jetzt. Eine Inszenierung, die man nicht missen möchte.

Göran Forsling

Der Gastbeitrag erschien zuerst bei Seen and Heard International.

 





Fotos: Andreas Hylthén