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Fakten zur Aufführung 

LA TRAVIATA
(Giuseppe Verdi)
12. Juli 2015
(Premiere am 8. Juli 2015)

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Schlossfestspiele

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Die Liebe, die Beichte und der Tod

Violettas Brief, von der schon vom Tode Gezeichneten geschrieben, skizziert in knappen, verzweifelten Worten ihr gesellschaftliches Umfeld, das sie nicht zu ihrem Glück kommen lässt. Alfredo, der von ihr Geliebte, hat ohne Nachricht das gesellschaftliche Leben in Paris und sie verlassen. Sein Vater begegnet ihr, auf standesgemäße Heirat seines Sohnes und den Namen der Familie bedacht, mit Hochmut und Arroganz und zwingt sie schließlich, auf ihren Geliebten zu verzichten.

Violetta Valéry, die begehrteste Dame der Pariser Halbwelt, „zu schön für einen Mann allein“, ist die tragische Figur dieses Gesellschaftsbildes, das Alexandre Dumas der Jüngere mit ironischem Pinselstrich literarisch um 1850 zeichnet und in dem Verdi zielsicher den Stoff für eine tragische Oper, für die Oper schlechthin erkennt. In der Romanvorlage Dumas` findet er den „neuen, grandiosen, schönen, abwechslungsreichen, gewagten“ Stoff, den er mit „besonderem Wohlgefallen“ zu vertonen beginnt. Aus eigener Erfahrung mit der Seelenlage seiner Hauptfiguren bestens vertraut, da ebenfalls von seinem Schwiegervater wegen der wilden Verbindung zu einer Kleinstadtdame heftig kritisiert, komponiert Verdi ein Musikdrama, dessen zu Herzen gehende Dramatik  sämtliche Register des damaligen romantischen Musikausdrucks souverän nutzt und die 1853 in Venedig zur Uraufführung kommt und – beim Publikum grandios durchfällt. Es behagt dem Publikum gar nicht, sich selbst in einem von intimen Kenntnissen geprägten Sittenbild auf der Bühne wieder zu erkennen. Verdi bleibt kühl und seiner Sache sicher.

Ein Jahr später bringt eine Neuinszenierung den gewünschten Erfolg. Neben Verdis Rigoletto und Il Trovatore zählt La Traviata heute zu der „populären Trilogie“ der Verdischen Opernkompositionen.

Wenn stilgerecht die Festgäste und der Chor im Vierspänner vorfahren, ist das Publikum der sommerlichen Schlossfestspiele Schwerin schon begeistert. Leise setzt die Ouvertüre des hinter einem Gazevorhang versteckten Orchesters ein, in schwarz-roten Kostümen treten der große Chor und Ballettdamen auf. Dann erscheint auch die von mehreren Herren der Gesellschaft gern besuchte und ein wenig flaschentorkelige Dame Violetta und begeistert mit hellem, ausdrucksstarkem Sopran die Zuhörer. Bald gesellt sich Alfredo hinzu, den Thomas Paul mit dunkel gefärbten warmen Tenor überzeugend gibt. Seine Versuche, Violetta trotz väterlichen Vetos für sich zu gewinnen, finden überraschend bei ihr keinen Erfolg, weil Alfredos Vater sich ungefragt einmischt. Vater Giorgio Germont, vom Bariton Krum Galabov darstellerisch wie stimmlich mit Gewicht präsentiert, spielt ein heimtückisches Spiel auf Kosten der Liebenden. Als Violetta, schon todkrank, ihrem Geliebten ein Geschäft mit seinem Vater beichten will, ist ihre Zeit schon abgelaufen, ihr Brief kommt zu spät.

Nachdem der erste Teil der Aufführung manche Länge aufweist und keine rechte Spannung aufbauen kann, verdichten sich in der zweiten Hälfte die dramatischen Momente. Als sich nun mit langsam einsetzendem, dann heftig werdendem Regen der ganze Charme des norddeutschen Freilufttheater-Feelings einstellt, halten Sänger und Darsteller wie Zuschauer ohne Einschränkung durch. Das von Martin Schelhaas geleitete Orchester kann die Dramatik ebenso steigern wie die Gesangssolisten, und irgendwie erhalten die Schlussszenen mit der vom Regen fast aufgelösten, zerbrechlichen Violetta und ihrem Alfredo eine besondere Tragik. In ergreifenden Schlussarien bereiten der Vater, Alfredo, die Kammerzofe Annina und Violetta das baldige Ende vor. Violetta stirbt, kaum noch bei Sinnen, in den Armen Alfredos.

Georg Rootering hat eine Freiluftaufführung der Traviata erarbeitet, die den großen Raum dieser offenen Bühne vor allem für den Chor und seine Bewegungen nutzt. Die Darsteller wirken häufig etwas verloren und statisch, was zu Längen führt. Die einfache Bühnenausstattung durch drehbare Paneele wird von Romaine Fauchere durch die meist opulenten Barockkostüme vor allem der Damen wirkungsvoll ergänzt. Eine zuverlässige Stütze des Abends ist der darstellerisch wie stimmlich immer präsente Chor. Die knappen Balletteinlagen bringen wenigstens einen Hauch der Pariser Halbwelt in die Aufführung, die im Übrigen eher norddeutsch kühl wirkt.

Ein inzwischen ebenfalls regendurchweichtes Publikum bedankt sich mit minutenlangem, herzlichem Beifall, der sowohl der künstlerischen Leistung wie dem Durchhaltevermögen der Mitwirkenden gilt. Freiluftaufführungen nördlich der Alpen haben ihre besondere Atmosphäre – und ihr Risiko.

Horst Dichanz





Fotos: Silke Winkler, Opernnetz