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Fakten zur Aufführung 

NABUCCO
(Giuseppe Verdi)
3. Juli 2014
(Premiere am 27. Juni 2014)

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Schlossfestspiele

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Herrscher zwischen Gott und Wahnsinn

Die letzten Sonnenstrahlen eines satten Sommertages spiegeln sich in der Fensterfront des Schweriner Schlosses, Sitz des Landtages, und verstärken die Blau- und Goldtöne, mit denen Romaine Fauchère in einem monumentalen historischen Bühnenbild die Herrschaftsansprüche des babylonisches Hauses gegenüber dem Jerusalem der vorchristlichen Zeit markiert. Auf einer großen Dreiecksfläche vor den Palastbauten entfalten sich Machtgelüste, Intrigen und politische Ränkespiele, mit denen Babylon seinen politischen Einfluss zwischen Euphrat und Tigris bis zum Mittelmeer sichern will. In den Figuren des babylonischen Herrschers Nebukadnezar, italienisch verkürzt zu Nabucco, dem Hohepriester Zaccaria der Juden und dem Oberpriester Baal entspannen sich die Machtkämpfe und geraten gelegentlich zu einem schwer entwirrbaren Geflecht, an dem die jeweiligen Religionsvertreter völlig uneigennützig und gern mitstricken. Wenn dann noch legitime und illegitime Thronfolger auftreten und schließlich als letzte Zutat die Liebe hinzukommt, werden die Handlungsstränge und Knoten kaum noch entwirrbar, die Grenzen zwischen Phantasie, historischen Fakten und künstlerischer Freiheit fließend. Da helfen auch die aus dem Off gesprochenen einleitenden Inhaltsangaben wenig. Doch die Hauptmotive Machtsucht, menschliche Hybris und Eifersucht bleiben, ob im Land der Babylonier oder im aktuellen politischen Umfeld dieser Aufführung.

Georg Rootering hat bei seiner Schweriner Inszenierung auf jegliche aktuelle Bezüge verzichtet und präsentiert Nabucco als monumental-historisches Breitleinwandgemälde, für das er die Weite der Bühne intensiv nutzt. Das Gegenüber von Palast und Tempel dokumentiert nicht nur die Pracht und Geltungssucht dieser gottähnlichen Herrscher, sondern markiert auch das Feld der politischen Auseinandersetzungen der Häuser. Hier treffen Babylonier und Hebräer aufeinander, hier werden die Israelis zu Gefangenen und zum Tode Verurteilten.

Mit der machtgierigen Abigaille und der verkannten Fenena sind zwei weibliche Antagonisten im Spiel, die durch Kostüm und Stimme ihre Rollen klar markieren. Constance Heller gibt der Fenena eine sanftmütige, romantisch verliebte Ausstrahlung, ihr heller, weicher Mezzosopran stützt diese Charakterisierung vorzüglich. Kajta Levin, schwarz-rot straff geschnürt, kann mit gelegentlich hartem Sopran die machtbewusste Königstochter glaubhaft präsentieren, die es gewohnt ist, sich durchzusetzen. Young Kwon, Bass, gibt dem israelischen Hohepriester Zaccaria eine beachtliche Präsenz. Temperamentvoll und mit tragendem Tenor zeichnet Mario Sofroniou den Neffen des Königs Ismaele. Jorge Lagunes´ Darstellung des Nabucco wird mit seinem volumigen, dunklen Bariton zu einem der Höhepunkte des Abends. Ihm gelingt es, in der zweiten Hälfte des Abends stimmlich und darstellerisch eine erfreuliche Spannung aufzubauen.

Martin Schelhaas, der kaum sichtbar hinter dunklen Schleiern mit der Mecklenburgischen Staatskapelle agiert, hält sein Orchester auffallend zurück, die Sänger und der Chor sind die tragenden Elemente der Musik. Der mächtige Chor, der durch Gäste und Mitglieder der Schweriner Singakademie ergänzt ist, gibt vor allem den Massenszenen vor den Palästen die entscheidenden Merkmale. Überraschend, wie stark Schelhaas im dritten Akt selbst beim Va, pensiero, sulláli dorate, dem populären Gefangenenchor, den Chor tempomäßig und musikalisch zurücknimmt. Zwar gelingt ihm dadurch eine besonders innige Darstellung, doch mancher Zuhörer hat wenigstens bei den Wiederholungen auf ein wenig Crescendo gewartet.

Guiseppe Verdi hat in der alttestamentarischen Geschichte einen Stoff gefunden, um aus historischen Figuren und Linien eine seiner erfolgreichsten Opern zu komponieren. Das Publikum erlebt einen musikalisch und stimmlich anspruchsvollen und anregenden Abend, der besonders durch die überzeugende Figur des Nabucco von Jorge Lagunes geprägt wird. Einige Schwächen der Dramaturgie im ersten Teil werden in der zweiten Hälfte durch die kleineren, aber intensiveren Szenen aufgefangen. Dass Georg Rootering in dieser Inszenierung im wesentlichen Geschichte in Geschichten erzählt, ein historisch-musikalisches Gemälde zeichnet und auf aktuelle Bezüge verzichtet, ist kein Mangel. Wenige kleine Anspielungen reichen aus, um den Stoff aus seiner Historizität in die Gegenwart zu holen, so etwa, wenn er den Niedergang des babylonischen Reiches durch das langsame Absenken der geheimnisvollen babylonischen Zeichenwand an der Palastrückwand andeutet und dahinter realiter der monumental-klassizistische Bau des Staatlichen Museums Schwerin sichtbar wird – geschickt.

Nach nur spärlichem gelegentlichen Szenenapplaus steigert sich der Schlussbeifall zu einer lang anhaltenden Danksagung an die Künstler, vor allem die Sängerinnen und Sänger. Dass dem aufmerksamen Zuschauer darüber hinaus manche Ähnlichkeiten der Opernfiguren mit denen unter der Goldkuppel des Schlosses in den Sinn kommen, ist vielleicht nicht gewollt, aber durchaus hilfreich …

Horst Dichanz





Fotos der Premiere: Silke Winkler