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Fakten zur Aufführung 

IL TROVATORE
(Giuseppe Verdi)
15. August 2014
(Premiere am 9. August 2014)

Salzburger Festspiele,
Großes Festspielhaus


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Edelgesang im faden Stehtheater

Der Medienhype ist wieder einmal gewaltig. Die Produktion selbst ist seit Monaten nicht nur völlig ausverkauft, sondern mehrfach überbucht. Die Kartennachfrage enorm. Vor jeder Aufführung Menschenmassen, die noch Karten suchen. Eine Besetzungsliste mit weltbesten Sängern, die keine Wünsche offen lässt. Dann noch ein Regisseur, der durchaus mit kontroversen Interpretationsansätzen in den letzten beiden Jahren hier bei den Salzburger Festspielen für Furore gesorgt hat: Ein vorprogrammiertes Großereignis? Was kann da noch schiefgehen?

Und doch ist Giuseppe Verdis Il trovatore im Großen Festspielhaus kein großer Wurf geworden. Das liegt in erster Linie an der szenischen Umsetzung. Denn Alvis Hermanis, der vor zwei Jahren mit der Inszenierung von Zimmermanns Soldaten und im vergangenen Jahr mit Birtwistles Gawain durchaus punkten konnte, lässt die an sich schon krude und schwer nachvollziehbare Geschichte im Museum spielen, genau genommen in einer Gemäldegalerie. Die Idee ist an sich nicht neu und wurde uns bereits 2006 in Graz von Stefan Herheim in Bizets Carmen serviert, nur verschwammen hier gekonnt Realität und Traumwelt. Diese Konzeption von Hermanis trägt jedenfalls nicht zur Erhellung des wüsten Plots bei, sondern fördert sogar noch die Verwirrung. Denn der Sinn derselben ist für den Betrachter nicht erschließbar. Warum sich die Protagonisten von Aufsehern und Museumsführern in blauen Uniformen immer wieder in historische Figuren mit prachtvollen, roten Brokatroben von Eva Dessecker verwandeln und retour, ist nicht nachvollziehbar. Die Verschränkung der Zeiten funktioniert einfach nicht. Zudem verweigert er sich völlig, die Geschichte zu zeigen. Die riesigen, in Rottönen gehaltenen, historischen Gemälde, die von alten Meistern aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen könnten, sind auf fahrbaren Mauerteilen aufgehängt, was zwar einen ästhetischen, bildmächtigen Eindruck hervorruft, aber sie fahren, wie, von Geisterhand bewegt, völlig sinnlos und ohne Handlungsbezug ständig quer, nach vorne und nach hinten über die Bühne, was schlicht nervt. Dazwischen erscheinen immer wieder geführte Touristengruppen, teils mit Audio-Guides in Straßenkleidung. Scheinbar will der lettische Regisseur, der auch sein eigener Bühnenbildner ist, damit von seinem ansonsten faden Steh- und Schreitheater ablenken, denn zur eigentlichen Personenführung ist ihm nichts eingefallen.

Dass der Abend dann doch noch zum Ereignis wird, ist in erster Linie Anna Netrebko zu verdanken. Denn die Sopranistin stellt sich ganz in den Dienst der Rolle. Ihre Leonora begeistert wegen ihres dunkler gewordenen, samtigen Timbres, ihrem stärker gewordenen dramatischen Potenzial, aber auch ihrer immer noch vorhandenen, agilen Leichtigkeit, um ihre Koloraturen und Triller funkeln zu lassen. Alle Töne sitzen zudem lupenrein. Sie ist das Kraftfeld der Aufführung. Ihr zur Seite: Francesco Meli als Manrico verfügt über ein wunderbares tenorales Material. Er stößt jedoch fallweise, wie bei der Stretta, die allerdings vom Dirigenten in einem mörderischen Tempo angelegt wird, an seine Grenzen und wirkt insgesamt zu wenig präsent. Plácido Domingo, der im November in Berlin an der Seite von Netrebko sein Rollendebüt als Luna gefeiert hat, lässt sich indisponiert ansagen und hat mittlerweile alle zukünftigen Vorstellungen krankheitsbedingt abgesagt. Er singt die Partie merklich angeschlagen, kurzatmig, und schafft es kaum, seinen flackernden Bariton unter Kontrolle zu bringen. Nur bisweilen gelingt es ihm, seinen signifikanten Bronzeschmelz zu zeigen. Marie-Nicole Lemieux als Azucena beeindruckt mit kraftvollen und ausdrucksstarken Tönen. Sie besitzt für diese Partie auch die darstellerische Dramatik, Höhe und Schärfe. Die kleineren Partien sind mit Riccardo Zanellato als Ferrando und Diana Haller als Ines sehr ordentlich besetzt. Untadelig wieder einmal der Wiener Staatsopernchor, der von Ernst Raffelsberger sauber einstudiert wurde.

Daniele Gatti am Pult der Wiener Philharmoniker wählt teils eigenwillige, zerdehnte, dann wieder extrem forsche Tempi und, zwar nur selten, aber doch rohe Knalligkeit. Er kann aber auch durchaus mit subtilen, dynamischen Differenzierungen gefallen.

Das Publikum konzentriert sich auf die Sänger und spendet diesen riesigen Applaus.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Foto Forster