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Fakten zur Aufführung 

SEMELE
(Georg Friedrich Händel)
23. Mai 2015
(Premiere)

Salzburger Pfingstfestspiele,
Haus für Mozart


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Mit sauberem Witz und göttlichen Koloraturen

Myself I shall adore, if I persist in gazing“ – „Mich selbst werde ich noch anbeten, wenn ich mich weiter anstarre“: Endlos hinauf und hinunter, makellos und sauber sowie mit irrer Geschwindigkeit sprudeln die Koloraturen nicht nur bei dieser Bravourarie aus ihr heraus. Denn auch sonst zieht Cecilia Bartoli bei Georg Friedrich Händels Semele, dessen Uraufführung 1744, heute kaum zu glauben, zu einem eklatanten Misserfolg wurde, bei den Salzburger Pfingstfestspielen wieder einmal alle Register ihres Könnens. Dieses weltliche Oratorium über den antiken, polytheistischen Götterhimmel passt auch exakt zu ihrem, für dieses Jahr ausgegebenen Motto „So ruf ich alle Götter“. Da erlebt man bei der Ausnahmesängerin weiters auch herrlich weiche Phrasierungen, einen ungemeinen Nuancenreichtum, sanfte Piani und auch viel köstlichen Witz. Denn obwohl es sich nur um eine konzertante Aufführung handelt, ist es gerade in dieser Szene köstlich zu erleben, mit welchen Späßchen mit ihrem Handspiegel und mit welcher Mimik und Gestik die Primadonna im vollen Haus für Mozart zum Gaudium des Publikums herumblödelt.

Aber auch sonst kommt der Witz in diesem völlig verwirrenden göttlichen und menschlichen Ränkespiel nach den Metamorphosen von Ovid nicht zu kurz: Wenn etwa Peter Kálmán als Somnus, als Gott des Schlafes, bevor er erweckt wird, lautstark vor sich hinschnarcht. Er kann aber auch als Cadmus, als König von Athen und somit als Vater der Titelheldin, mit sonorem, schwarzem Bass überzeugen. Oder wenn Birgit Remmert als eifersüchtige Juno mit unglaublicher Tiefe und bewusst witzig eingesetzter Artikulation singt und dabei auch einige Register ihrer Komik gerade beim Kabinettstückchen ihrer musikalischen Verführungskünste, um den Gott des Schlafes für ihre Zwecke zu gewinnen, zieht. 

Aber auch sonst wird hinreißend und ohne Schwachstellen gesungen. Als wieder einmal auf Freiersfüßen schreitender Jupiter, der laut ungefähren Berechnungen neben seiner Göttergattin über 30 Liebschaften unterhalten haben soll, säuselt Charles Workman seine Liebesschwüre mit seinem feinsinnigen, aber auch kraftvollen Tenor. Besonders seine herrliche Arie Where’er you walk, cool gales shall fan the glades – „Wo auch immer du gehst, werden kühle Lüfte den Hain durchwehen“, in der er seine große Liebe zu Semele bekundet, wird zum Ereignis.  Als noble Ino, Schwester von Semele, tritt Liliana Nikiteanu mit schön geführtem Organ auf. Mit sensiblem, lyrischem Sopran erlebt man auch Rebeca Olvera als Iris. Ohne Einwände edel klingt der Countertenor von Andreas Scholl als beinahe perfekter Athamas, Prinz von Böotien, der ebenfalls mit schwierigsten Koloraturen punkten kann. Ausgezeichnet und intonationssicher singt auch der Coro della Radiotelevisione Svizzera, der von Gianluca Capuano einstudiert wurde.

Diego Fasolis steht am Pult des von ihm gegründeten Ensembles I Barocchisti. Die wahrscheinlich reichste und konzentrierteste Partitur in Händels gesamten Oeuvre, in der er die Vorzüge der Oper mit den Möglichkeiten des neugeschaffenen Oratoriums verschmelzen wollte, wird organisch und musikantisch mit ziemlich großer Präzision und Detailreichtum farbenreich und vital auf alten Instrumenten gespielt.

Spontane, stehende Ovationen sind die begeisterten Reaktionen des Publikums, das seine Idole ordentlich feiert.

Helmut Christian Mayer

 



Fotos: Wolfgang Lienbacher