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Fakten zur Aufführung 

OTELLO
(Gioachino Rossini)
9. Juni 2014
(Premiere)

Salzburger Pfingstfestspiele,
Großes Festspielhaus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Venezianischer Mohr von Rossini

Besuchersteigerungen um sechs Prozent und eine Auslastung von 96 Prozent, 14.300 Zuhörer aus 54 Ländern in nur fünf Tagen: Eine Bilanz der Salzburger Pfingstfestspiele, die sich mehr als sehen lassen kann.

Auch der Otello ossia il moro di Venezia von Gioachino Rossini, dessen Uraufführung 1816 in Neapel höchst erfolgreich war, jene Opera seria, komponiert zwischen dem Barbier von Sevilla und La Cenerentola, die immer im Schatten von Giuseppe Verdi Otello stand und steht, rund sieben Jahrzehnte älter und bis heute eine der verkanntesten Opern der Musikgeschichte, wird in Salzburg zum finalen, großen Erfolg.

Protzig ist der Saal mit seinen hohen dunklen Holztüren, aber auch kalt. Unter dem pompösen Murano-Lüster bleibt Otello selbst immer ein Fremdkörper. Durch seine schwarze Farbe und seine afrikanische Herkunft wird er ständig ausgegrenzt. Der Mohr selbst darf in einem schäbigen, angekramten Raum voll ausrangierter Möbel wohnen, wo sich auch Menschen anderer Kulturen aufhalten und der in kräftigen Farben leuchtet. Die Bühne stammt von Christian Fenouillat. Und nachdem Otello sich selbst getötet hat, wird sogar noch seine Leiche geschändet.

In solch einer Sichtweise sehen Moshe Leiser und Patrice Caurier in ihrer Inszenierung die Andersartigkeit des Mohren als Grundlage sämtlichen Handelns und stellen das zeitlose Rassismusthema in den Mittelpunkt. Die Handlung wird in die Jahre um 1960 mit entsprechenden Kostümen von Agostino Cavalca verlegt. Aber anders als bei Verdi verwendet Rossini eine freiere Bearbeitung des Shakespeare-Stoffes, und es gibt keine hinreichende psychologische und kontrastierende Ausformung der Charaktere.

In dieser Koproduktion mit dem Opernhaus Zürich, wo die Produktion im Februar 2012 herausgebracht wurde, und dem Theatre des Champs-Élysées wirkt der erste Akt recht statisch und dezent inszeniert. Und doch blickt man schon bald in eine gequälte Menschenliebe und eine ergreifende Schilderung von Desdemonas schuldlosem Leiden. Sehr packend ist auch der Mord an ihr inszeniert, der wirkungsvoll während eines Gewitters passiert.

Gleich drei Tenöre in Hauptrollen, an die höchste Anforderungen an Koloraturfähigkeit und Stimmumfang gestellt werden, muss man für dieses Meisterwerk aufbieten: Damit hat John Osborn in der Titelrolle keinerlei Probleme. Er ist ein Otello mit ungemeiner Strahlkraft und ungefährdeten Höhen. Auch Edgardo Rocha als sein Rivale Rodrigo um die Gunst Desdemonas singt diese schwierige Partie mit Bravour. Barry Banks ist ein perfider Jago, dessen Intrige weniger psychologisch denn vordergründig handgreiflich motiviert ist. Peter Kálmán singt Desdemonas Vater Elmiro, der den Mohren wegen seiner Hautfarbe zutiefst hasst, mit schönem, edlem Bass. Liliana Nikiteanu ist eine Emilia mit warmem Mezzo, Nicola Pamio ein solider Doge. Der Chor des Theatre des Champs-Élysées, der von Gildas Pungier einstudiert wurde, fällt durch Homogenität auf.

„Zu Füßen einer Trauerweide versunken in ihrem Schmerz, saß Isaura und stöhnte“: Ungemein innig und beinahe herzzerreißend gefühlvoll und voll Todesahnung singt Cecilia Bartoli zum letzten Mal ihr Lied von der Weide. Sie ist auch als Desdemona wieder eine Klasse für sich und steuert auch diesmal neben diesen lyrischen Elementen wiederum ein Feuerwerk an Koloraturen und vibrierende Geläufigkeit bei.

Das Originalklang-Ensemble Matheus unter Jean-Christophe Spinosi musiziert farbig, schlank, sensibel und niemals laut die charakteristische Motorik und feinziselierte Melodik von Rossini, der wieder aus eigenen Werken zitiert. Sie zeigt bereits deutlich einen Wendepunkt in Rossinis kompositorischer Entwicklung. Vor allem der dritte Akt ist von großer musikalisch-dramatischer Dichte und voll harmonisch-melodischer Einfälle. Desdemonas Lied von der Weide wie auch die Finali des ersten und zweiten Aktes gehören zum Feinsinnigsten und Charaktervollsten, das Rossini je geschrieben hat.

Stehende Ovationen eines überglücklichen Publikums!

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Silvia Lelli