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Fakten zur Aufführung 

FIDELIO
(Ludwig van Beethoven)
7. August 2015
(Premiere am 4. August 2015)

Salzburger Festspiele,
Großes Festspielhaus


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Gefangene im eigenen Ich

Er strahlt schon eine gewisse Bedrohung wie auch Undurchdringlichkeit aus und macht durchaus Eindruck: Dieser große, schwarze Kubus im weißvertäfelten Einheitsbühnenraum, den Christian Schmidt, der auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet, entworfen hat. Und er kann sich heben und senken. Vor allem aber dreht er sich langsam um die eigene Achse und lässt so immer wieder Personen aus dem Nichts erscheinen und verschwinden. Auch das macht Eindruck. Personen, die meist lange, dunkle, ebenfalls bedrohliche Schatten auf die weißen Wände werfen und irgendwie alle unfrei und als Gefangene ihrer selbst wirken.

Claus Guth geht bei Ludwig van Beethovens einziger Oper Fidelio, seiner siebten Inszenierung bei den Salzburger Festspielen insgesamt, in dieser völlig optischen Abstraktion, die jeden Naturalismus verweigert, neue Wege. Er versucht, wie er selbst erklärt, die Diskrepanz zwischen Banalität, etwa hervorgerufen durch die Dialoge und jene der hohen Themen, aufzulösen. Und so erzählt er sie aus der Sicht Fidelios weder als Hymnus auf die Gattenliebe noch als Revolutions- oder Befreiungsoper völlig zeitlos und verweigert auch das Happyend, denn Florestan fällt zum Finale, wie vom Blitz getroffen, tot um. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind für ihn auch heute noch uneinlösbare Utopien. Und er will auch das Innenleben der Protagonisten offenlegen und verpasst der Leonore ein entbehrliches Double, das von Nadia Kichler gespielt wird und in Gebärdensprache redet, was mit der Zeit ziemlich nervt. Auch Pizarro hat einen ständigen Schatten, der vom Tänzer Paul Lorenger dargestellt wird, in der Kerkerszene sogar viele Doppelgänger, wobei man sich auch immer wieder ziemlicher Klischees bedient, wenn etwa diese Bösewichter dunkel gekleidet mit Sonnenbrille wie filmische X-Men-Typen aussehen.

Zudem hat er sämtliche Dialoge gestrichen und durch mehrminütige, elektronische Geräusche oder Atemgeräusche wie auch Wortfetzen des Warnbriefes an Pizarro ersetzt, was sich in der Wirkung schnell erschöpft, während sich meist der Kubus dreht. Nur macht das weniger Eindruck. Die Konzeption, die anfänglich Neugier erweckt, wirkt durch die sonst vorherrschende Statik auf der Bühne mit der Dauer ziemlich lähmend, ja langweilig und nimmt dem Werk jegliche Dramatik.

 „Gott, welch’ Dunkel hier…“: Mit seinem aus dem Nichts extrem lange anschwellenden G und seiner insgesamt mühelosen Bewältigung der extrem diffizilen Partie ist Jonas Kaufmann mit seinem betörenden Timbre wieder eine Klasse für sich. Seinen Florestan, den er, von der Regie verordnet, extrem neurotisch, zitternd, kriechend und so weiter spielen muss, zeichnet Empathie, Intensität und Phrasierungskunst aus. Er wird auch am meisten umjubelt. Ein Prüfstein für alle dramatischen Soprane ist die Rolle der Leonore. Adrianne Pieczonka beeindruckt mit toller Mittelage in den lyrischen Phasen mehr als in den dramatischen. Sie kann aber alle hohen Anforderungen dieser schwierigen Partie bewältigen. Weich, aber etwas blass erklingt der Rocco des Hans-Peter König. Tomasz Konieczny ist auch darstellerisch ein bösartiger und kraftvoller Don Pizarro, dessen nasales Timbre aber wieder einmal sehr gewöhnungsbedürftig klingt. Fein erklingt hingegen der lyrische Sopran der Olga Bezsmertna als Marzelline, geschmeidig der Tenor des Norbert Ernst als Jaquino. Ohne Makel klingt der Don Fernando des Sebastian Holecek. Stimmgewaltig und meist homogen singt der Wiener Staatsopernchor, der teilweise aus dem Off zu hören ist und von Ernst Raffelsberger einstudiert wurde.

Franz Welser-Möst erzeugt bei den Wiener Philharmonikern eine energiegeladene und schlanke Lesart von Beethovens Partitur. Nuancen- und farbenreich musizieren die Wiener Philharmoniker unter seinem Dirigat, wobei die traditionell vor dem letzten Bild musizierte dritte Leonoren-Ouvertüre zum mitreißenden Ereignis und heftig umjubelt wird.

Dem Publikum gefällt es musikalisch sehr. Es spendet starken Applaus für Sänger, Orchester und Dirigenten. Und, obwohl es bereits die zweite Aufführung ist, bei der Premiere wird das Regieteam gnadenlos ausgebuht, gibt es auch diesmal etliche Unmutsäußerungen zur Inszenierung.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Monika Rittershaus