Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)
30. Juli 2014
(Premiere am 27. Juli 2014 )

Salzburger Festspiele,
Haus für Mozart


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Der ewige Frauenverführer

Obwohl er eigentlich in der Hölle für seine vielen Schandtaten braten sollte, erhebt sich der tot geglaubte Don Giovanni zum Finale während des Schlussgesangs völlig überraschend. Er geht langsam von Frau zu Frau, küsst oder streichelt sie, und als dann ein Stubenmädchen vorbeiläuft, geht die schon den gesamten Abend praktizierte, erotische Jagd wieder los und er läuft dieser rasant nach. Ja, der ewige Frauenverführer, jenes Symbol der rücksichtslosen Begierde, ist einfach nicht umzubringen, das will uns Sven-Eric Bechtolf offenbar damit sagen.

Jedenfalls zeigt der Regisseur in der Neuproduktion des Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart bei den Salzburger Festspielen den Titelhelden mehr als galanten und ständig küssenden Kavalier, ja, beinahe als Schmusebär, der völlig Testosteron-gesteuert jedem Kittel nachhechelt denn als gefährlichen, kühl berechnenden Schurken.

Unelegant ist diese Hotelhalle ja nicht, mit ihren mit Mahagoni-Holz getäfelten Wänden und Treppen, mit ihren goldenen Tapeten, ihren vielen Zimmertüren im ersten Stock und ihrem edlen Mobiliar. Aber irgendwie wirken die Einheitskulissen, die Rolf Glittenberg für diese Produktion bauen ließ, ziemlich altmodisch. Elegant und geschmackvoll sind auch die feinen Roben und Uniformen von Marianne Glittenberg, die vielleicht andeuten, dass wir uns in der Franco-Ära befinden könnten. Die Idee, Don Giovanni in einer Hotellobby spielen zu lassen, ist auch nicht besonders originell und vor allem nicht neu, denn eine ähnliche Konzeption hat uns Keith Warner schon 2006 im Theater an der Wien demonstriert. Damals war Don Giovanni der Hoteldirektor und Leporello sein Rezeptionist. Jetzt sind beide Gäste. Bechtolf selbst, der ja bekanntlich wegen des Weggangs des derzeitigen Intendanten Alexander Pereira an die Mailänder Scala ab 2015 für die nächsten zwei Jahre gemeinsam mit der amtierenden Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler die Intendanz des Festivals inne hat, hat die „Oper aller Opern“ schon einmal selbst in Zürich 2006 in einem ähnlichen Ambiente, einer Art Mischung aus Bar und Ballsaal gezeigt. Nun legt er noch eins drauf und macht das Hotel zu einem Stundenhotel, denn ständig kommen und gehen leicht beschürzte Mädchen in oder aus den Zimmern. In diesem Einheitsraum, der weder das Haus des Komturs noch die Räume der Hochzeitsgesellschaft und auch nicht Giovannis Schloss oder den Friedhof auch nur andeuten, lässt sich die Geschichte nur schwer nachzuvollziehen.

Zweifellos: Ideen hat Bechtolf genug, das muss man ihm lassen. Einige sind recht originell, wie etwa, dass der Titelheld gleichzeitig hinter anderen Frauen her ist, auch wenn er gerade einer Dame den Hof macht. Oder wenn bei der Registerarie Leporello nach Ländern geordnete, dicke Fotoalben hervorkramt, in welchen fein säuberlich die verführten Damen mit Foto verewigt sind oder wenn der Komtur nicht im Duell, sondern so umgebracht wird, dass Don Giovanni die mit dem Messer herumfuchtelnde Donna Anna gegen ihren Vater stößt. Oder wenn Zerlina und Donna Elvira das gleiche Hochzeitskleid tragen, wobei jenes von Zerlina blütenweiß, jenes von Elvira ziemlich verschmutzt ist.

Vieles ist aber auch eigenartig, ja, banal, wenn etwa zum Finale ein mit Teufelshörnern bestückter Höllenchor auftritt. Aber alles ist handwerklich gut gemacht, ohne dass man von der die Konzeption besonders vom Sessel gerissen wird.

Vom Sessel wird man auch nicht vom Sängerensemble gerissen, das sich als nicht sonderlich homogen erweist. Ildebrando D’Arcangelo ist darstellerisch und stimmlich ein sehr viriler und präsenter Verführer, der aber etwas derb, knarzig und eindimensional singt. Luca Pisaroni singt den Leporello fein gepflegt, verblödelt ihn aber während des Abends immer mehr zu einem Clown. Tomasz Konieczny ist ein Wotan-erprobter, stimmlich mächtiger Komtur. Andrew Staples singt den Don Ottavio recht steif, aber sehr lyrisch und koloraturensicher. Alessio Arduini als Masetto ist ein Versprechen für die Zukunft. Bei den Damen ist die Donna Anna von Lenneke Ruiten zwar innig, aber viel zu zartstimmig, ihr Sopran klingt in der Höhe manchmal angestrengt. Als Donna Elvira gefällt Anett Fritsch mit schönem Sopran. Was ihr jedoch fehlt, ist der für diese Partie notwendige dramatische Impetus. Valentina Nafornita ist eine wunderbare Zerlina, die starke vokale Sinnlichkeit verströmt. Für die wenigen Chorstellen imponiert der Philharmonia Chor Wien, der von Walter Zeh einstudiert wurde.

Christoph Eschenbach am Pult der in erster Linie routiniert aufspielenden Wiener Philharmoniker dirigiert sehr akkurat und liebt den weich gezeichneten romantischen Klang und teils eine Lautstärke, die die Sänger manchmal in Bedrängnis bringt. Obwohl seine Interpretation etwas besser ist als jene der letztjährigen Così-fan-tutte-Produktion, ist die Klang- und Tempobalance ab und zu verzerrt, auf jeden Fall sehr eigenwillig, teils gedehnt, teils als wollte er einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen. So geschehen bei der Champagnerarie, die der Titelheld nicht mehr richtig artikulieren kann.

Trotzdem: Großer Jubel eines diesmal auffallend jungen Publikums.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Michael Pöhn