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Fakten zur Aufführung 

LA CENERENTOLA
(Gioachino Rossini)
5. Juni 2014
(Premiere)

Salzburger Pfingstfestspiele,
Großes Festspielhaus


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Mit Spritzigkeit und Spaß

Schon bei der Ouvertüre schwebt er auf einer Wolke. Dann segelt er in dieser Videoprojektion durch diese hindurch, langsam auf den Bühnenboden zu und taucht punktgenau real vor dem Vorhang mit einem Koffer voller Federn auf: Und auch danach ist Alidoro ständig präsent. Denn er ist in Gioachino Rossinis Meisterwerk La Cenerentola, der berühmten Opernversion von Aschenbrödel bei den Salzburger Pfingstfestspielen der zaubernde Drahtzieher. Ob nur als Beobachter oder als eingreifender Gestalter, als Briefträger, als Bettler, als Security-Mann bei einer Party, als Amor, der seine roten Plastikpfeile verschießt und auch den Dirigenten damit trifft, der sich auch gleich humorvoll in eine Besucherin in der ersten Reihe verliebt. Oder wenn er zum Finale alle Protagonisten in Cellophan einpackt.

Ja, die unbeschwerte Komik, der pointierte Witz und die Spritzigkeit kommen in dieser Inszenierung von Damiano Michelietto, der immer gerne, so auch diesmal, mit Vergegenwärtigungen spielt, nie zu kurz. Selten hat man das Publikum bei dieser Oper so viel Lachen erlebt. Und so sprudelt Rossinis letzte Opera buffa, eine Komödie mit Elementen des Zauberspiels, aber auch mit tragischen Schlaglichtern, nur so vor Lebendigkeit und Tempo dahin. Die Reihe vieler köstlicher Gags laufen ab wie am Schnürchen. Präzise wie ein Uhrwerk, bis zur letzten Figur, ist auch die gekonnte Personenführung des italienischen Regisseurs. Unzählig sind die Ideen, aber immer klug am Text und alles aus der Musik begründbar. Wenn etwa zum Finale Seifenblasen die Bühne überfluten und die Akteure von Aschenbuttel und ihrem Prinzen mit gelben Putzhandschuhen in Geschenkpackungen und Wassereimer versorgt werden, um den Boden zu schrubben.

Der aus Venedig stammende Regisseur, der damit von einer pittoresken Märchenoper weit entfernt ist, kann sich aber wie immer auch auf seinen Bühnenbildner Paolo Fantin verlassen, der ein Bühnenwunderwerk gebaut hat. Dabei kann sich das heruntergekommene, einstöckige Buffet wie von Zauberhand in ein Traumschloss, eine Art schicker Designer-Bar von heute mit gläsernen Stiegen und indirekter Beleuchtung verwandeln. Geschmackvoll und auch mit augenzwinkerndem Witz behaftet sind die heutigen Kostüme von Agostino Cavalca.

Cecilia Bartoli ist für Salzburg ein Glücksfall. Es sind zu Pfingsten ihre Festspiele, deren künstlerische Leitung sie innehat. Sie singt die Angelina, ihre Paraderolle seit ihrem 25. Lebensjahr. Zwei Mal hat die Mezzosopranistin sie aufgenommen, einmal auf CD, einmal auf DVD. Unfassbar scheint dabei, in welcher Reinheit sie als Titelheldin mit ihrem noch dunkler gewordenen Mezzosopran die geforderten unzähligen Koloraturen, Legato-Girlanden, Staccato-Ketten und die halsbrecherischen Sprachkaskaden in hohem Tempo singt. Neben ihr auf Augenhöhe: Javier Camarena ein lyrischer Weltklassetenor, den auf Brautschau gehenden Prinz Don Ramiro singend, ebenfalls mit bombensicheren Koloraturen und mühelosen, glänzenden Höhen. Sein Kammerdiener Dandini ist der Erzkomödiant Nicola Alaimo, durch seine stattliche körperliche Fülle darstellerisch wie auch stimmlich köstlich, mit noblem Bariton ausgestattet. Ihm in nichts nahestehend ist Enzo Capuano als bösartiger, präsenter, schlitzohriger Don Magnifico, der einen kernigen Spielbass besitzt. Ein Glanzpunkt an Witz ist das Duett der beiden, bei dem sich ersterer als Diener „outet“. Seine beiden stimmlich zwar etwas abfallenden Töchter sind Lynette Tapia als Clorinda und Hillary Summers als Tisbe, die aber typengerecht besetzt sind. Der Philosoph Alidoro wird mit sicherem, solidem Bass von Ugo Guargliardo verkörpert. Der Chor der Wiener Staatsoper, von Ernst Raffelsberger einstudiert, deren Choristen teils auch in Frauenkostümen stecken, singt stimmgewaltig, sollte sich aber den gezeigten Tempi besser anpassen.

Verabschieden muss man sich diesmal von jeglichem philharmonischen Wohlklang und satter Klangfülle. Denn Jean-Christophe Spinosi lässt die feinfühlige Partitur im Originalklangensemble Mattheus ungewohnt ausgedünnt und teils sehr leise, was aber auch auf den tief gelegenen Graben zurückzuführen sein dürfte, und immer schnurrend ablaufen, beinahe wie ein Uhrwerk. Er begleitet die Sänger umsichtig, manchmal allerdings wählt er beinahe geradezu mörderische Tempi. Man erlebt Spritzigkeit, virtuose Leichtigkeit, mitreißende Funken und reiche Akzente.

Geradezu frenetisch schwillt der Applaus beim Publikum zum Finale an. Als dann noch das Orchester und der Chor ein Happy Birthday zum 48. Jubeltag der Primadonna anstimmen, scheinen die stehenden Ovationen kein Ende mehr nehmen zu wollen. Kein Zweifel, dieses Publikum liebt die Bartoli uneingeschränkt.

Und wer es zu Pfingsten versäumt haben sollte, kann sich die Oper im Sommer in gleicher Besetzung ansehen. Und nächstes Jahr dürfen wir uns über Glucks Iphigenie en Tauride und Händels Semele freuen und vielleicht so wie Alidoro zu Beginn alle auf einer Wolke schweben.

Helmut Christian Mayer

 

Fotos: Silvia Lelli