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Fakten zur Aufführung 

CARMEN
(Georges Bizet)
18. Oktober 2015
(Premiere)

Landestheater Salzburg,
Felsenreitschule


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

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Verführerische Erotik und Mord im Drogenrausch

Ein hübsches, großes, rotes Mohnfeld wird bei der Ouvertüre von Georges Bizets Carmen langsam abgeerntet. Aber die Idylle trügt. Es geht um beinharten Drogenhandel. Denn gleich nach Beginn erscheint ein Junkie, bricht einen Container auf und gibt sich von dem erbeuteten Rauschgift einen Schuss. Es ist sein letzter, denn er beginnt sich zu winden und stirbt. Dabei wird er von einem Mann in einem dunklen, eleganten Anzug mit Krawatte und Mantel beobachtet. Es ist der personifizierte Tod, der immer wieder bei den Schlüsselstellen als stummer Beobachter erscheint, zum Schluss wird er sich sein Gesicht noch weiß schminken: Wenn etwa Zuniga mit einer Handgranate umgebracht wird oder wenn zum Finale der nunmehr von Drogen sichtlich gezeichnete Don José, weil er sich immer wieder Heroin spritzt, offensichtlich im Drogenrausch lachend Carmen tötet. Zuvor sieht dieser noch seine Micaela, die in seinem Delirium wie eine Heilige aussieht, während sie ihre wunderbare Arie singt, und die Schmuggler, die er mit ihren Masken für Dämonen hält.

Regisseur Andreas Gergen, Bühnenbildner Peter J. Davison und Kostümbildnerin Conny Lüders schöpfen aber in der Neuproduktion dieser populären Oper am Salzburger Landestheater auch sonst aus dem Vollen: Denn quicklebendig, fantasie- und detailreich wie auch ausgefeilt ist die im Heute spielende Inszenierung, die die breite Bühne der Felsenreitschule mit den meist rot ausgeleuchteten, mehrstöckigen Arkaden voll ausgenutzt. Und so gibt es viel zu sehen: Vor einigen hässlichen, übereinander gestapelten Containern, Gittern werden die vielen Massenaufmärsche in bunten, geschmackvollen Outfits, die auch viel Haut zeigen, virtuos und vital inszeniert. Unterstützt von mitreißenden Choreographien der Tänzerinnern und Tänzer des Salzburger Landestheaters von Peter Breuer.

Auch sängerisch kann diese Neuproduktion punkten, denn das Ensemble verfügt eigentlich über keine Schwachstelle: Oksana Volkova ist eine kraftvoll, dunkel timbrierte Carmen und vermag sehr sexy kostümiert auch darstellerisch viel verführerische Erotik zu versprühen. Andeka Gorrotxategi verfügt als Don José über einen nicht allzu großen, aber ausgesprochen schön wie auch edel gefärbten und baritonal klingenden Tenor. Elena Stikhina als Micaela zeigt eine Riesenstimme, die sich für diese Partie zu kräftig und zu wenig lyrisch einsetzt und dadurch zu wenig zu berühren weiß. Zachary Nelson ist ein etwas zu wenig markanter Escamillo. Er ist ein Lebemann im weißen Anzug, der mit einem Luxusauto mit dem Kennzeichen ESC 1 und einer jungen, tussihaften Blondine im Schlepptau auftritt. Raimundas Juzuitis ist ein stimmgewaltiger Zuniga. Warum Elliot Carlton Hines sowohl als Soldat Morales und dann auch als Schmuggler Dancairo besetzt ist, bleibt unerfindlich. Vielleicht weil er prächtig singt. Franz Supper als Remendado, Laura Nicorescu  als Frasquita und Rowan Hellier als Mercedes singen tadellos ebenso wie der sehr spielfreudige Chor und Extrachor des Hauses, dessen Einstudierung Stefan Müller besorgte, und der sehr frech agierende und von Wolfgang Götz einstudierte Salzburger Festspiele- und Theater-Kinderchor.

Zart, ja beinahe zerbrechlich wirkt sie beim Schlussapplaus auf der Bühne. Aber wenn Mirga Grazinyté-Tyla am Pult des Mozarteum Orchesters Salzburg steht, wird sie zur musikalischen Riesin. Es ist erstaunlich, welche Energie von der jungen, erst 29-jährigen Dirigentin ausgeht, seit letzter Saison Musikchefin des Landestheaters Salzburg. Und wie sich das auf die Musiker überträgt und diese zu Höchstleitungen anspornt. Mit klaren, exakten und suggestiven Gesten gelingt es ihr, mit teils recht flotten Tempi viel packendes Feuer und sinnliche Leidenschaft zu versprühen. Sie ist ein echter Gewinn für das Haus.

Während das Publikum bei der Aufführung noch eher zurückhaltend agiert, bricht am Ende großer Jubel aus, der alle mit einbezieht.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Anna-Maria Löffelberger