Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

Fakten zur Aufführung 

TÊTE À TÊTE DER TASTEN
(Jacques Ibert, Maurice Ravel,
Saint-Saëns)
25. Mai 2015
(Premiere)

Ruhrfestspiele, Großes Haus


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Chat-Faktor


Rezensionen-Archiv

Aufführungen nach Name
Aufführungen nach Ort


 
 

zurück       Leserbrief

Grenzenloses Musikverstehen

Als die Recklinghäuser und die auswärtige politische Prominenz 1961 den Grundstein für das Haus der Ruhrfestspiele legten, gehörten der gläserne Kubus und der Durchblick auf den „grünen Hügel“ zum architektonischen Konzept. Die Besucher, besonders die Bergleute, sollten Natur und Kultur miteinander verbinden können. In der diesjährigen Spielzeit hat der französische Künstler Daniel Buren die Fassade des Theaters neu gestaltet und klebt große farbige Folien auf die bis dato eher kühle Glas-Metall-Fassade.

Mit Werken der französischen Komponisten Jacques Ibert, Maurice Ravel und Camille Saint-Saëns laden die Ruhrfestspiele zu einem konzertanten Tête-à-Tête der Kulturen von Frankreich und Deutschland ein.

Mit dem erst 1956 entstandenen, sehr lebendigen Bacchanale von Jacques Ibert eröffnet die Neue Philharmonie Westfalen einen Musikabend, dessen Programm in die musikalische Neuzeit führt. Ibert, Träger des begehrten Prix de Rome, setzt das gesamte Orchester ein und intoniert einen flotten Marsch, in dem Bläser und Schlagwerk, besonders die Pauke, den Rhythmus bestimmen. Mit lebhaftem Dirigat führt Rasmus Baumann sein Orchester, behält ein flottes Tempo bei und artikuliert in weiten Melodiebögen wohl tönende Klänge. Bei durchlaufender Marschtrommel steigert sich das Scherzo zum Fortissimo und setzt furios ab.

Am Piano im dunkelroten Abendkleid künden die Pianistin und das Orchester einen Stil- und Zeitwechsel an: Lauma Skride, die 2009 mit dem Beethoven-Ring ausgezeichnete Pianistin, bringt viel Brillanz und rhythmische Sicherheit mit, um die melodiösen Anteile von Ravels Konzert für Klavier zu präsentieren. Nach einer gefühlvollen Eröffnung der Violine und einem schussähnlichen Knall der Whip (Peitsche) wechseln sich melodische Phrasen und stark rhythmische Passagen ab. Skride am Piano präsentiert leicht und gefühlvoll die melodischen Parts, dem Orchester sind vor allem die rhythmischen Elemente zugedacht. Bei stehender Bassbegleitung brilliert Skride mit schnellen Läufen, in denen immer wieder kräftige Paukenschläge Akzente setzen. Lauma Skride spielt am Piano die Melodiebögen heraus, Rasmus Baumann betont die rhythmischen Anteile des Orchesters. Wer Ravels Boléro noch im Ohr hat, wird seine rhythmische Virtuosität bald wieder erkennen.

Zum Tête-à-Tête der Tasten kommt es erst in der Sinfonie Nr. 3, c-moll op. 78 von Camille Saint-Saëns, in der sich Piano und Orgel begegnen. Das Werk Saint-Saëns, auch die Orgelsinfonie genannt, überrascht den Zuhörer mit einem weitgehend weltlichen Klang dieses Instruments, den Thorsten Maus einfühlsam präsentiert. Streicher und Querflöte führen langsam und verhalten ins Thema ein, bevor die Bläser moderne Klänge bringen und dann die Orgel ihre schweren Basstöne vibrieren lässt. Insgesamt bleibt die Orgel eher verhalten, setzt mal Akkord-Akzente oder unterlegt leichte Melodielinien. Mit Trommeln und Pauken steigert sich das Orchester zu einem furios-mächtigen Finale, in das noch einmal die Orgel einfällt.

Auch wenn das Tête-à-Tête zwischen Piano und Orgel verhalten bleibt, ist vor allem das Finale überwältigend. Ein sehr aufmerksames Publikum bedankt sich stürmisch bei den Solisten und dem Orchester für einen nuancenreichen Konzertabend, der neuzeitlich-nachbarliche Klänge auf den „bunten Hügel“ holt.

Horst Dichanz

Fotos: Pedro Malinowski,
Marco Borggreve, Opernnetz