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Fakten zur Aufführung 

NOCTURNES
(Thierry Malandain)
18. Mai 2015
(Premiere am 17. Mai 2015)

Ruhrfestspiele, Großes Haus


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Die Blicke himmelwärts

Das Ballett hat seit mehreren Jahren einen festen Platz im Programm der Ruhrfestspiele und ein Stammpublikum, das ein volles Haus garantiert. Mit den diesjährigen Beiträgen des Ballet Malandain aus Biarritz und den Choreographien von Thierry Malandain stellt diese Compagnie eine Mischung aus klassischen Elementen und modernem Tanztheater auf höchstem Niveau dar und begeistert das fachkundige Publikum mit einer zauberhaften Ästhetik.

Den Nocturnes von Chopin folgend, beginnen im ersten Teil die Tänzer in weichen, fließenden Bewegungen die für Piano komponierten Solostücke zu interpretieren, ohne dass direkte Bezüge zwischen Musik und Tanz erkennbar sind. Einzelne Tänzer, kleine Gruppen oder das gesamte Ensemble von 20 Damen und Herren lassen sich von den klaren Linien oder herrlich romantischen Klängen inspirieren und vermitteln höchst unterschiedliche Stimmungen, in denen der Choreograph Tanz und Tod miteinander vereinigen und Totentänze symbolisieren möchte.

In Stil und Klang vertraut, greift Malandain im zweiten Teil Estro auf Werke von Antonio Vivaldi zurück. Die schwarz gekleideten Tänzer lassen Figuren entstehen, die einmal an Formen des klassischen Balletts, dann an Bewegungen des modernen Tanztheaters erinnern oder ganz neue Elemente zeigen wie eine horizontal angelegte Treppe aus Körpern oder eine sich über die Bühne rollende Art einer Tänzerkette – hoch akrobatisch. Diese Ausdrucksformen eignen sich, um die Suche des an die Erde gebundenen Menschen nach dem Höchsten, dem Himmel darzustellen. Ob es dabei solistische Figuren, die weiten Sprünge oder die hervorragend synchron getanzten Formationen des Ensemble sind, Tänzerinnen und Tänzer begeistern durch technische Brillanz und engagierte Ausdrucksstärke. In einer Pyramide menschlicher Leiber bilden die Tänzer ein Schlussbild, das in seinen schwarzen Farben wie ein Berg wirkt, von dem aus sich Arme, Körper und alle Blicke in das Licht hinaufstrecken und eine Verbindung zum Himmel suchen – ein Höhepunkt des Abends. Vor allem dieser Teil des Programms verdeutlicht Malandains Intention, „sein Hauptaugenmerk auf den tanzenden Körper, seine Zerbrechlichkeit, seine Kraft sowie seine Sinnlichkeit“ zu richten.

Mit dem bekannten Motiv von Querflöte und Klarinette und seiner ostinaten, langsam und stetig steigenden Lautstärke und Intensität beginnt, von vielen mit besonderer Spannung erwartet, Ravels Bolero. Ravel, der dieses Werk als Ballettmusik komponierte, blieb zu seiner populären Komposition stets auf Distanz: „Ich habe nur ein Meisterwerk gemacht, das ist der Bolero; leider enthält er keine Musik.“ Hinter Gazewänden, die in einem offenen Quadrat die Grenzen der Freiheit andeuten, treten Tänzerinnen und Tänzer in körperfarbenen Trikots auf. Insgesamt bleibt das Tempo ihrer Bewegungen verhalten, die choreographischen Elemente bekannt. Auch der immer eindringlicher werdende Rhythmus des Boleros, der zum Schluss durch hinzutretendes Schlagwerk  im Fortissimo seinen musikalischen Höhepunkt erreicht,  bleibt tänzerisch im Bekannten, setzt keine neuen Akzente, was manchen Besucher überrascht.

Beim Verlöschen des Bühnenlichtes bricht lauter Beifall aus, ein begeistertes Publikum bedankt sich minutenlang mit Jubelrufen und Pfiffen bei der Compagnie und dem Choreographen Malandain für einen hoch konzentrierten Ballettabend, an dem diese Balletttruppe unterschiedliche musikalische Motive und Stimmungen in gelungene Tanzinterpretationen umsetzt.

Horst Dichanz

 

Fotos: Olivier Houeix